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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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der anderen Fakultäten doch zu werden – kann es mit euch aufnehmen. Die Zukunft gehört euch, und laßt es nicht zu, daß eine unausgegorene Garnitur dekadenter Professoren und ihre jämmerlich schrumpfende Gefolgschaft euch in den Weg treten. Ruffano ist für die Lebenden da und nicht für die Toten.«
    Tumultartige Beifallsstürme folgten auf Aldos Rede, mit der er scheinbar alles und jeden bankrott erklärte, seine Zuhörer ausgenommen. Er wartete, bis sich der Lärm gelegt hatte, dann beugte er sich vor.
    »Es ist im Grunde nicht meine Sache, so zu euch zu sprechen. Als Direktor des Kunstrats mische ich mich nicht gern in die Universitätspolitik ein. Meine Aufgabe besteht hauptsächlich darin, die Kunstschätze im Palazzo Ducale zu pflegen, die euch allen gehören und nicht, wie manche Leute meinen, einer kleinen, aber privilegierten Minderheit.
    Warum ich euch hierher gebeten habe? Weil eine Clique – ich nenne keine Namen – euch ruinieren will. Sie möchten es dahin bringen, daß eure Fakultät und alles, wofür ihr steht und einsteht, den Behörden und Autoritäten zum Ärgernis wird, daß ihr hinausgeworfen werdet, ihr, euer Professor Elia, das ganze Gesindel. Dann, so meinen sie, wird wieder ein patrizischer Lebensstil regieren. Dann wird Ruffano wieder in tiefen Schlaf versinken. Dann werden die angehenden Schullehrer. Advokaten und Dichter allesamt ihren Willen bekommen.«
    Ich spähte zu Paolo hinüber. Er beobachtete Aldo aufmerksam, das Kinn auf die Faust gestützt. Caterina, die links von mir stand, war gleichermaßen beeindruckt. Überhaupt lauschte die Studentenmenge mit emporgereckten Gesichtern meinem Bruder genauso aufmerksam wie die kleine Elite zwei Tage zuvor im Palazzo Ducale – einer völlig anderen Rede.
    »Der Einbruch der letzten Nacht und die schändliche Tat, die darauf folgte«, sagte Aldo sanft, »wenn es eine schändliche Tat gewesen ist und nicht nur eine erschwindelte Geschichte, läuft auf einen ausgeklügelten Versuch hinaus, euch etwas anzuhängen. Der gleiche Sport, wie ihn im Kriege die Guerillas exerzieren. Den eigenen Leuten grausam mitspielen und dann den Feind dafür verantwortlich machen. Fein eingefädelt, großartig sogar. So bringt man Schießereien in Gang.
    Aber unglücklicherweise ist Ruffano im Augenblick nicht auf Krieg eingestellt. Vielmehr organisiere ich, wie ihr alle wisst, etwas ganz anderes, ein Festival, das, wenn wir es darauf anlegen, seinerseits auf eine ausgewachsene Schlacht hinauslaufen kann, je blutiger, je besser.
    Das Thema dieses Jahres wird der Aufstand der munteren, aufstrebenden jungen Bürger von Ruffano gegen den dekadenten Herzog Claudio und seine Bande von Schmarotzern sein.
    Die jungen Kaufleute und Arbeiter von Ruffano standen zu Tausenden gegen ein paar Höflinge, aber der Herzog hatte nicht nur die Legitimität auf seiner Seite, sondern leider auch die Waffen. Er übte sein Zerstörungswerk übrigens mit Vorliebe nächtlicherweise aus, indem er verkleidet durch die Straßen strich und harmlose Leute misshandelte, genauso wie es ein anonymer Klub, so hat man mir vor einiger Zeit einmal erzählt, mitunter noch heute tut.«
    Caterina griff nach meiner Hand und flüsterte: »Die Wächter, die Vigilante.«
    Aldo stand auf. »Was ich möchte, ist dies: daß ihr, das frische Blut der Universität, im bevorstehenden Festival die Rolle der Bürger von Ruffano übernehmt. Ihr braucht keine Kostüme zu tragen, ihr braucht keine komplizierten Proben, aber das sage ich euch: Es kann gefährlich werden. Die Jungen, die die Höflinge spielen, werden bewaffnet sein. Ihr sollt mit Stöcken und Steinen auf die Straße gehen, mit allen hausgemachten Waffen ausgerüstet, die ihr an irgendeinem Ort auftreiben könnt. Es wird in den Straßen gekämpft werden, und oben auf dem Hügel, und natürlich drinnen im Palast.
    Wer Angst hat, darf zu Hause bleiben, und für meine Person nehme ich das niemandem übel. Aber wer darauf aus ist, sich an den Großkopfeten zu rächen, an dem versnobten kleinen Kreis, der sich einbildet, die Universität und ganz Ruffano zu regieren, der findet hier, ob Mädchen oder Junge, seine Chance. Kommt und meldet euch freiwillig! Ich garantiere euch, daß ihr die Sieger sein werdet.«
    Er winkte und lachte. Hinter ihm auf der Bühne begann jemand einen Trommelwirbel zu entfesseln, dessen Zusammenklang mit den Hochrufen aus dem Publikum und dem Krachen der Stühle während des Ansturms der Studenten auf die Bühne, wo Aldo

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