Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)
sagte Shane begeistert und gab ihr einen Kuss.
»Das bin ich nicht«, lachte sie. »Ich hatte bloß eine Art Eingebung – von den Geistwesen.«
Stunden später saßen sie noch immer in der Wildnis und warteten. Es war bereits früh am Abend. Die Sonne war hinter den Berggipfeln verschwunden, und es wurde kühler.
Gegen Mittag waren die Polizei und die Rettungsdienste eingetroffen, ebenso offizielle Vertreter der Einwanderungsbehörde, freiwillige Helfer, einige Journalisten und ein Fernsehteam. Decken und Lebensmittel wurden ausgeteilt und die Verletzten notdürftig versorgt. Die Polizei nahm die Personalien der Anwesenden und Augenzeugenberichte auf.
Reisebusse warteten in einiger Entfernung darauf, die Menschen in Motels nach Calgary zu bringen, wo sie untergebracht würden, bis entschieden war, was mit ihnen geschehen sollte. Aber bisher war es niemandem erlaubt, das Gelände zu verlassen.
Die befreiten Gefangenen saßen oder lagen überall in kleinen Gruppen zusammen. Sie alle waren erschöpft.
Auch Serena hatte sich an einen Felsen gelehnt. Sie war müde und hungrig. Jemand hatte ihre verletzte Schulter notdürftig verbunden, aber sie schmerzte noch immer sehr. Sonia war bei ihr. Die Kleine war auf ihrem Schoß eingeschlafen.
Shane hingegen wanderte ruhelos umher. Er hatte gesagt, dass er sich nur danach erkundigen wolle, ob er irgendwie helfen könne. Aber Serena kannte den wahren Grund. Er suchte unter den Menschen nach Fabian. Er hegte, genau wie Serena, die vage Hoffnung, dass sein Freund dem Unglück auf wunderbare Weise entgangen war.
Serena schloss die Augen. Vielleicht könnte sie ein wenig schlafen. Sie war gerade dabei, einzunicken, als etwas Kaltes und Nasses sie an der Hand stupste. Erschrocken öffnete sie die Augen.
»Tiger!«, rief sie überrascht. »Wo um alles in der Welt kommst du denn auf einmal her? Ich dachte, wir hätten dich verloren!«
Der kleine Terrier blickte sie treuherzig an und wedelte freudig mit dem Schwanz. Sein Fell war zerzaust, und er sah sehr mitgenommen aus. Er sprang auch nicht wie sonst an ihr hoch oder leckte ihr die Hand.
Serena tätschelte seinen Kopf.
»Du armer Kerl, du bist ja vollkommen erschöpft. Du musst eine Menge durchgemacht haben. Hier, leg dich neben mich.«
Tiger gehorchte sofort. Er schmiegte sich an Serena und bettete den Kopf auf die Vorderpfoten. Er kämpfte sichtlich gegen die Müdigkeit an, aber seine Augen fielen ihm einfach zu.
Serena betrachtete ihn liebevoll.
»Ich würde zu gern wissen, wo du überall gewesen bist«, flüsterte sie kopfschüttelnd.
Neben ihr wurden Stimmen laut. Ein Beamter von der Einwanderungsbehörde stellte der jungen Frau, die Serena am nächsten saß, eine Menge Fragen. Die Frau sprach nur gebrochen Englisch, und der Beamte wurde sehr ungeduldig. Sein Tonfall und Benehmen machten Serena wütend.
»Hey, diese Menschen sind keine Verbrecher«, rief sie dem Beamten aufgebracht zu. »Sie sind auch keine Flüchtlinge oder illegale Einwanderer. Sie sind Opfer. Sie wurden gestohlen, entführt, misshandelt. Sie haben Schreckliches durchgemacht. Zeigen Sie ein bisschen Mitgefühl und Respekt!«
»Sie warten, bis Sie an der Reihe sind!«, fuhr der Beamte Serena an.
»Ich bin deutsche Staatsbürgerin und auf Urlaub hier«, erwiderte Serena. »Sie haben mir gar nichts zu sagen.«
»Das wird sich zeigen«, meinte der Mann kühl. »Und das ist doch sicherlich nicht Ihr Kind?« Er deutete mit seinem Kugelschreiber auf die kleine Sonia, die noch immer auf Serenas Schoß lag und schlief. Seine Miene verriet, dass das Kind für ihn nicht mehr war als eine Nummer auf einem Blatt Papier.
Serena schäumte vor Wut.
»Das Kind bleibt bei mir, bis seine Eltern gefunden sind!«, zischte sie.
»Was ist denn hier los?«, fuhr eine dunkle Stimme dazwischen. Es war Shane. Er war von seinem Rundgang zurück.
»Der Typ da will Sonia mitnehmen«, erklärte Serena. Ihre Stimme bebte vor Zorn. »Ich habe ihm gesagt, dass sie bei uns bleibt, bis ihre Eltern gefunden sind.«
Shane blickte den Beamten finster an.
»Sie haben gehört, was die Lady gesagt hat«, meinte er. »Der Fall ist erledigt. Ziehen Sie Leine.«
Widerwillig ging der Beamte weiter.
»Es ist unglaublich, wie der Kerl die armen Menschen behandelt«, stellte Serena fest. Sie war noch immer aufgebracht.
»Nicht nur er«, erklärte Shane. »Den Ton und die Art habe ich bei den meisten Beamten hier gesehen. Und die Polizisten sind nicht besser.«
Er setzte sich zu
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