Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)
Opfer erbringen .«
Über Fabians Namen war ein Kojote in den Stein eingraviert. Aber nicht irgendein Kojote – es war der, der im Writing-on-Stone National Park hinter dem Salbeibusch versteckt gewesen war und den Shane Serena gezeigt hatte, kurz bevor der Felskojote dann für sie getanzt hatte.
Ein wehmütiges Lächeln umspielte ihre Lippen. Es hatte einige Mühe und Zeit gekostet, durchzusetzen, dass Fabian offiziell für tot erklärt wurde und auf dem Friedhof ein Gedenkstein errichtet werden durfte. Immerhin gab es keine handfesten Beweise dafür, dass er tatsächlich im Berg ums Leben gekommen war, ja nicht einmal dafür, dass er zur Zeit des Einsturzes überhaupt dort gewesen war. Lediglich das Wort von Serena und Shane. Letztendlich waren es die Aussagen der Menschen gewesen, die Fabian befreit hatte, die die Angelegenheit zu Serena und Shanes Gunsten entschieden hatten.
Viele neue Tage waren gekommen und vergangen, seit sie die Menschen aus dem Berg geholt hatten. Tage ohne Fabian. Nun endlich konnte Serena Abschied von ihm nehmen, musste es tun. Damit sie weiterleben konnte. Damit Shane und sie eine gemeinsame Zukunft hatten. Damit sie auch der kleinen Sonia eine Zukunft geben konnten. Aber ein Teil von ihr lag mit Fabian unter dem Berg begraben und würde für immer dortbleiben.
Es war unglaublich, wie viel geschehen war, seit Serena Berlin verlassen hatte. Es kam ihr nicht wie Wochen vor, sondern wie Jahre. Ihre Schulter war gut verheilt, und äußerlich war sie wieder ganz die Alte. Aber innerlich war sie nicht mehr dieselbe Serena, würde es nie wieder sein.
Doch die Ereignisse hatten auch Gutes mit sich gebracht. Shanes Liebe gab ihr Halt und Kraft und Hoffnung. Und dann war da noch Sonia. Das Kind war für Serena wie ein Sonnenstrahl nach einem langen Regen. Ihr Lachen und ihr Frohsinn hatten Serena aus ihrer Trauer zurück ins Leben geholt.
Serena hatte es sich in den Kopf gesetzt, die Eltern des Kindes zu finden, und alles Menschenmögliche in Bewegung gesetzt, um sie wieder mit ihrer Familie zu vereinen. Dann kam vor einer Woche die vernichtende Nachricht, dass Sonias Eltern verstorben waren. Der Rest ihrer Familie zeigte kein Interesse an dem Kind. Also hatten Serena und Shane kurzerhand beschlossen, Sonia eine neue Familie zu sein. Und was lag näher? Sie wussten, was das Kind durchgemacht hatte, hatten gesehen, wo und wie es eingepfercht und misshandelt worden war. Und sie waren es gewesen, die es befreit und aus dem Berg getragen hatten. Shane und sie – und Fabian.
Serena zog einen Brief aus ihrer Jackentasche. Er war adressiert an Bruder Lukas, Kloster Engelstein, Südtirol.
Serena drehte den Brief in ihren Händen. Sie hatte ihn geschrieben, damit Bruder Lukas erfuhr, was seinem Freund widerfahren war. Denn wie Shane gesagt hatte, nichts war schlimmer, als in Ungewissheit darüber zu leben, was mit einem Freund oder jemandem, der einem nahestand, geschehen war.
Niemand hatte Serenas Fotos und die Story über die gestohlenen, zu Versuchen missbrauchten Menschen herausbringen wollen. Die Öffentlichkeit würde nie erfahren, was im Berg wirklich passiert war. Serena hatte die Geschichte und die Fotos ins Internet gestellt. Sie waren zu finden, wenn man es wollte.
Betrübt schüttelte Serena den Kopf. So viele Menschen waren bestürzt über die zahllosen Personen, die jedes Jahr und überall auf der Welt spurlos verschwanden. Aber niemand schien hören zu wollen, was mit ihnen geschah. Die Wahrheit war einfach zu grausam.
Sie zog den Brief an Bruder Lukas aus dem Umschlag und überflog, was sie geschrieben hatte. Es war nicht viel. Sie hatte keine Einzelheiten aufführen wollen. Sie wollte lediglich Bruder Lukas´ Herz zur Ruhe kommen lassen.
Verehrter Bruder Lukas , las sie still. Ich heiße Serena Eckehard. Wir haben uns nie persönlich kennengelernt, aber Sie kannten meinen kürzlich verstorbenen Bruder, Fabian. Fabian lebte drei Jahre lang unter dem Namen Bruder Simeon in Kloster Engelstein. Er hat mir viel von Ihnen erzählt und auch, was für ein wahrer Freund Sie ihm während seiner Zeit dort gewesen sind.
Fabian hat es sehr bedauert, dass er nicht die Gelegenheit hatte, von Ihnen Abschied zu nehmen, aber es war ihm nicht anders möglich. Ich weiß, wie schwer es ist, mit der Ungewissheit darüber zu leben, was aus einem guten Freund geworden ist. Besonders wenn er so plötzlich verschwindet, wie es bei Fabian der Fall war.
Dies ist der Anlass für meinen Brief. Ich
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