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Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)

Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des Felskojoten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanna Seven Deers
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gesagt. Sie hatte es sich nicht träumen lassen, seine Stimme in diesem Leben noch einmal zu hören.
    »Fabian«, hauchte sie, »bist du es wirklich?« Tränen stiegen ihr in die Augen. Und für einen kurzen herrlichen Augenblick glaubte sie, dass ihr geliebter großer Bruder zu ihr zurückkehren würde. Aber dieses Wunschbild wurde ihr schon mit seinen nächsten Worten genommen.
    »Serena, hör mir gut zu«, sagte Fabian. »Ich habe nicht viel Zeit.« Seine Stimme klang nervös, seine Worte überstürzt. »Ich habe das Kloster verlassen. Ich werde nicht dorthin zurückkehren. Meine Gebete sind erhört worden. Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe.«
    »Ich verstehe nicht …«, begann Serena, aber Fabian fiel ihr ins Wort.
    »Ich habe dir damals nicht die ganze Wahrheit gesagt«, erklärte er hastig. »Diese Leute wollten, dass ich für sie arbeite. Aber ich konnte mich nicht dazu durchringen. Sie sind in schlimme Sachen verwickelt, Serena. Sehr schlimme. Und ich habe gesehen, was sie machen. Sie hätten mich umgebracht. Mein einziger Ausweg war das Kloster. Sie ließen mich gewähren, denn dort stellte ich keine Gefahr für sie dar. Aber ich konnte und kann nicht mit dem Wissen um die Verbrechen leben, die sie begehen. Ich muss versuchen, sie aufzuhalten, koste es, was es wolle.«
    »Fabian, wo bist du?« Serenas Stimme stockte. Wovon sprach ihr Bruder nur? »Sag mir, was los ist. Vielleicht kann ich dir helfen!«
    »Niemand kann mir helfen«, erwiderte Fabian. »Und es ist besser, wenn du keine Einzelheiten kennst. Ich will dich nicht unnötig in Gefahr bringen. Jetzt, wo ich nicht mehr im Kloster bin, werden sie nach mir suchen. Vielleicht auch bei dir. Deshalb rufe ich an – um dich zu warnen. Diese Leute schrecken vor nichts zurück.«
    »Wer, um Himmels willen, Fabian? Bitte lass mich doch …«
    »Und ich wollte, dass du mich in guter Erinnerung behältst«, unterbrach Fabian sie. »Egal was du irgendwann einmal über mich liest oder was dir jemand einmal über mich weismachen will. Ich habe immer versucht, das Richtige zu tun, das weißt du. Nur dieses eine Mal habe ich es nicht getan. Aus Angst. Das werde ich jetzt geradebiegen.«
    »Das hört sich so an, als ob …«
    »Ich hab dich lieb, kleine Schwester. Vergiss mich nicht.«
    »Fabian!«, rief Serena aufgebracht. »Fabian!«
    Aber alles, was sie hörte, war ein monotones Dröhnen. Die Verbindung war abgebrochen.
    »Ich hab dich auch lieb«, flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme. Dann legte sie das Telefon zurück auf den Tisch und ließ sich aufs Sofa fallen. Entsetzt presste sie die Hand vor den Mund. Worin war Fabian nur verwickelt?
    Willst du eine freie Seele haben, so musst du entweder arm sein oder wie ein Armer leben , hatte Fabian Seneca zitiert, als er ihr von seinem Vorhaben, Mönch zu werden, erzählt hatte – Fabian hatte eine Schwäche für Zitate. Dabei hatten eine solche Entschlossenheit und Willensstärke in seinem Blick gelegen, dass Serena nicht einen Augenblick an seinen Motiven gezweifelt hatte. Doch überrascht hatte sie sein Entschluss schon. Natürlich waren sie beide katholisch erzogen worden. Aber Fabian hatte nie viel auf den Glauben gegeben. Im Gegenteil, er war ein sehr praktisch veranlagter Mensch, jemand, der alles hinterfragte, jemand mit sehr viel Köpfchen. Deshalb hatte er erfolgreich Physik studiert, nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland. Seitdem war er immer viel unterwegs gewesen, aber er hatte seine zehn Jahre jüngere Schwester nie vergessen. Von überall, wo er sich aufhielt, hatte er ihr lange Briefe geschrieben, Postkarten geschickt und ihr Souvenirs mitgebracht. Und wann immer er zu Hause gewesen war, hatten sie viel Zeit miteinander verbracht. Das Alter, in dem man sich als junger Mensch fragt, warum man eigentlich auf dieser Welt ist, woher man kommt und wohin es einen führen wird, hatte er zu dem Zeitpunkt, als er sich entschloss, ins Kloster zu gehen, längst hinter sich gelassen. Es war damals vielmehr Serena gewesen, die sich mit all diesen Fragen beschäftigt hatte, ohne zu einem wirklichen Ergebnis zu kommen. Trotzdem hatte es bei Fabian diesen plötzlichen Sinneswandel gegeben.
    Als Serena jetzt an den Tag des Abschieds zurückdachte, wurde ihr zum ersten Mal bewusst, dass zu jener Zeit noch etwas anderes in dem Blick ihres Bruders gelegen hatte: ein Hauch von unterdrückter Verzweiflung, von Ausweglosigkeit, den Serena bisher versucht hatte zu verdrängen. Das Telefonat eben hatte

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