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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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und wässrig, die Wangen waren von feinen roten Äderchen durchzogen. Letztendlich war er eben doch nur ein Mann, und ein sehr alter noch dazu. Doch seine Haltung war würdevoll, geradezu majestätisch, er erhob sich elastisch und sprach mit weithin vernehmlicher, gebieterischer Stimme.
    Zuerst trat er zu Don Ferrante und legte eine blau geäderte, beringte Hand auf den Kopf des Königs. Die beiden Männer wechselten einen verständnisinnigen Blick und nickten einander zu. Dann folgte der Segen: »Mögen Gott und die Heilige Jungfrau Euch segnen und über Euch wachen, jetzt und immerdar.«
    Danach ging er zu Bruder Guido. Meine Lippen verzogen
sich beim Gedanken an die Freude und Verklärung, die mein Freund jetzt empfinden musste, zu einem stolzen Lächeln. Ich sah, dass er aschfahl geworden war, und konnte nur hoffen, er würde vor religiöser Ekstase nicht in Ohnmacht fallen, wenn die heilige Hand ihn berührte. Aber mein Stolz war mit großer Traurigkeit gemischt, denn ich erkannte in diesem Moment, dass er für mich verloren war - die Kirche war seine einzige Liebe und würde es immer bleiben; er war mit seinem Glauben verheiratet und mit niemandem sonst. Der Segen hallte in meinem Kopf wider. Er würde niemals eine andere Braut wählen, das war mir jetzt klar.
    Nachdem der Papst seine beiden hochrangigen Gäste gesegnet hatte, legte er eine Hand auf einen goldenen Psalter und stimmte drei Gebete an, dann wandte er sich ab und verschwand, gefolgt von seinen Kardinälen, durch eine Seitentür in seinem Palast. Demnach war die Audienz nach diesen wenigen Minuten bereits vorüber. Über welch eine immense Macht muss ein Mann verfügen, der es sich erlauben kann, selbst einem König nur einen so kleinen Teil seiner Zeit zu widmen, überlegte ich fasziniert.
    Doch der König wirkte sichtlich bewegt. Schweigend traten wir auf die große Piazza vor der Peterskirche hinaus. Ich sog die frische Morgenluft in tiefen Zügen ein und beobachtete die an den goldenen Steinen herumpickenden Tauben und die Gläubigen, die sich vor dem Palast zu versammeln begannen. Bruder Guido war noch immer totenbleich, hatte die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst, und in seinen Augen schimmerten Tränen. Er war innerlich aufgewühlter, als ich es je für möglich gehalten hätte. Ich selbst dachte voller Kummer an den Tag, an dem er wieder in seinen Orden eintreten würde und der nach den heutigen Ereignissen bestimmt nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Don Ferrante klopfte ihm auf die Schulter - so fest, dass er zu schwanken begann und ich ihn stützen musste. »Die Kutschen stehen bereit. Sehen wir zu, dass wir hier wegkommen. Beim Gedanken
an Eure heimatliche Toskana und die Hochzeit in Florenz muss Euch doch das Herz aufgehen, nicht wahr?«
    Bruder Guido gab keine Antwort, doch der König, der schon mit seinem Gefolge über den Petersplatz auf die Reihe glitzernder Kutschen zurauschte, registrierte diese Unhöflichkeit gar nicht. Mir hingegen wurde klar, dass seine Stimmung nichts mit religiöser Verzückung zu tun hatte.
    Wir ließen die anderen ein Stück vorausgehen, und ich nahm Bruder Guido am Arm. »Was ist denn los?«
    Er antwortete nicht.
    Ich unternahm einen neuerlichen Vorstoß, wollte endlich Licht in das Dunkel bringen. »Jesu. Ich weiß, wie sehr Ihr dem Treffen mit dem Papst entgegengefiebert habt, aber dass es einen so tiefen Eindruck auf Euch macht...«
    Er wandte mir sein bekümmertes Gesicht zu. »Keinen so tiefen, wie Ihr denkt. Ich bin ihm nämlich schon einmal begegnet.«
    Madonna . Er hatte den Verstand verloren. »Wie meint Ihr das?«
    Bruder Guido nahm mein Gesicht zwischen seine Hände. Seine Handflächen und Finger fühlten sich auf meiner warmen Haut eiskalt an.
    »Ach, Luciana. Mein Glaube ist erloschen, meine Welt liegt in Scherben. Ich habe die Stimme schon erkannt, noch ehe ich den Ring an seinem Daumen sah.«
    Die Tauben flatterten zu meinen Füßen und plötzlich auch in meinem Kopf. »Wen habt Ihr erkannt?«
    »Seine Heiligkeit. Er war dort - letzte Nacht.« Bruder Guidos Augen brannten sich in die meinen. »Papst Sixtus IV. ist einer der Sieben.«

Teil 5
    FLORENZ II
    Juli 1481

1
    Ich beging meine Rückkehr nach Florenz dergestalt, dass ich mich über den Ponte Vecchio beugte und mich in den Arno übergab.
    Meine Angst hatte in meinem Magen gelauert wie ein hässlicher kleiner Troll, seit wir die Fahrt hinunter ins Tal begonnen hatten, aber als wir die Brücke zu meiner

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