Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
Vom Netzwerk:
Bruder Guido spann den poetischen Faden schon weiter.

    »Das könnte ein Fingerzeig sein. Poliziano, der Hofdichter der Medici und Verfasser der stanze , der Verse, auf denen die Primavera basiert, hat in seinen Werken oft die Schönheit der Rose gepriesen. Wenn ich mich nicht sehr irre«, seine Hand sauste krachend auf die Tischplatte, »enthalten sogar die stanze selber ein paar ganz besondere Zeilen über Blumen. Lasst mich überlegen... Ja:
    Ma vie piu lieta, piu ridente a bella
    Ardisce aprire il seno al sol rosa...
    ... was ungefähr bedeutet, dass die Rose kühner ist als das bescheidene Veilchen.«
    Bruder Nikodemus straffte sich. »Das Veilchen ist die Blume, die Floras Kopfputz krönt. Es sitzt genau in der Mitte, auf ihrer Stirn.«
    »Vielleicht wollen die Dichter und demzufolge auch unser Bild uns sagen, dass wir nicht unsere Köpfe gebrauchen sollen, um das Rätsel zu lösen, sondern unsere...
    »Unsere was? Unsere Mägen?« Die Mönche zogen, als sie ihre Theorie wie eine Seifenblase zerplatzen sahen, so betretene Gesichter, dass ich lachen musste.
    »Wartet! Trägt Flora nicht ein Kind? Hat Signore Bentivoglio nicht etwas in dieser Art angedeutet, als er Euch drängte, seinem Freund Modell zu stehen?«, fragte mich Bruder Guido. »Dass sie die Frucht der kommenden Jahreszeit trägt?«
    »Das stimmt«, bestätigte ich eifrig. »Ich sollte schwanger sein.« Der ältere Mönch zuckte ob meines Mangels an Zartgefühl leicht zusammen, aber das kümmerte mich nicht - wir waren vielleicht auf eine Spur gestoßen. »Vielleicht hat das >Geheimnis< etwas mit einem Säugling oder einem Kind zu tun? Vielleicht ist ja irgendeine Frau tatsächlich schwanger - vielleicht ist Semiramide Appiani guter Hoffnung, und ihr Balg erbt nach Lorenzo de’ Medicis Tod das Medici-Vermögen.«
    »Signorina!«, donnerte Bruder Nikodemus. »Ich gebe zu, dass die Familie Medici nicht frei von Sünde ist, aber Signorina
Appiani erfreut sich eines makellosen Rufes. Sie ist eine tugendhafte Jungfrau, so keusch wie der erste Schnee.«
    »Wenn Ihr es sagt.« Ich lehnte mich mit skeptisch gerunzelter Stirn zurück. »Aber Don Ferrante sähe es mit Sicherheit gern, wenn seine Nichte die Mutter des Medici-Erben würde. Und Lorenzo di Pierfranceso auch - damit wären zwei der Sieben glücklich.«
    »Und Rosen werden in mehrerer Hinsicht mit Venus in Verbindung gebracht«, kam mir Bruder Guido zu Hilfe. »Es ist die Blume, die ihr am häufigsten zugeordnet wird; laut dem Rhetor Libanus trägt sie beim Urteil des Paris einen Rosenkranz auf dem Kopf. Und auf diesen Wettstreit, wird in der Primavera durch die Anwesenheit der drei Grazien angespielt.«
    »Und der griechischen Legende zufolge entstand die Rose bei der Geburt der Venus, so liest man es bei Anakreon«, stimmte der alte Mönch zu. »Als Venus dem Meer entstieg, entsprang der Erde ein Rosenbusch und begann prachtvoll zu blühen, nachdem die Götter ihn mit Nektar besprengt hatten.«
    »Ich fürchte, wir sind etwas vom Thema abgeschweift«, mahnte Bruder Guido sanft.
    Das fand ich allerdings auch. Dieses Geschwätz über Poesie hielt uns nur unnötig auf, wie ich es ausgedrückt hätte.
    »Schließlich ist es in der Primavera Flora und nicht Venus, die das Geheimnis hütet. Flora ist schwanger, nicht Venus.« Er sah mich verlegen von der Seite an.
    Ich beantwortete seine unausgesprochene Frage. »Höchst unwahrscheinlich.« Ich war zu gewieft, um mir ein Kind anhängen zu lassen, was für ein Straßenmädchen das Ende seiner Karriere bedeuten konnte. Ein Säugling war für uns schlimmer als die Pocken. Ich dachte an die gewachsten Baumwollquadrate, die nutzlos im Hals meines Schoßes steckten und nach jeder Monatsblutung ersetzt wurden. Nur dass letzten Monat gar nichts hätte passieren können, denn seit Bembo hatte ich keinen Mann mehr im Bett gehabt. Bei Venus allerdings - Signorina Appiani - mochte es sich anders verhalten. Viele florentinische
Mädchen pflegten sich schon vor der Ehe mit ihrem Verlobten zu vergnügen... Was machte es schließlich, wenn das Erstgeborene ein bisschen zu früh zur Welt kam? »Seht Euch ihr Kleid an«, beharrte ich. »Darunter lässt sich ein runder Bauch leicht verbergen, wenn man das Pech hat, geschwängert worden zu sein.«
    »Hmm. Ich glaube eher, das ist... äh... romanischer Modestil«, stammelte Bruder Guido, dessen Wangen sich angesichts meiner unverblümten Ausdrucksweise zart gerötet hatten. Ich schnaubte abfällig, denn ich wusste

Weitere Kostenlose Bücher