Das Geheimnis Des Frühlings
sicher, dass die Medici ihn scharf beobachten ließen.
Also schrieb ich die Adresse selbst und schickte eigenmächtig einen Boten los - diese kleinen Freiheiten waren das Einzige, was mich mit meinem von Wasser umgebenen Gefängnis versöhnte.
Doch als ich die Antwort erhielt, erstarben alle meine Hoff nungen. Bruder Nikodemus von Padua hatte seine Worte liebenswürdigerweise so simpel abgefasst, dass ich sie gut lesen konnte.
»Ihr irrt Euch. Bruder Guido ist nicht in Santa Croce, sondern im Bargello. Wartet auf seine Verhandlung. Nur Mut.«
Abgrundtiefer Hass auf meine Mutter wallte in mir auf. Diese verlogene Hexe! Wie konnte ich je auch nur halbwegs freundschaftliche Gefühle für sie gehegt haben? Sogar ich hatte mich von ihr einwickeln lassen, nachdem ich sechzehn Jahre lang für sie überhaupt nicht existiert hatte. Und wie hatte sie mir das vergolten? Wie musste sie sich insgeheim über ihr kleines Täuschungsmanöver amüsiert haben! Ich verbrachte den Vormittag in meiner Kammer, hin und her gerissen zwischen Zorn auf meine Mutter und Angst um Bruder Guido. Wie lange würde er auf seinen Prozess warten müssen, bevor der Henker ihn erwartete? Hatten sie ihn gefoltert, ihn körperlich und seelisch zermürbt? Wie viel Zeit blieb mir noch, ihn zu retten?
Ich spielte mit dem Gedanken, meine Mutter zur Rede zu stellen, wusste aber, dass es nichts fruchten würde. Ich war in der Höhle der Löwin gefangen, und sie würde alles tun, alles sagen, um mich festzuhalten. Es wäre ein Fehler, ihr zu enthüllen, was ich wusste. Allmählich begann ich mir die venezianische Denkweise zu eigen zu machen.
Manchmal dachte ich an Lorenzo de’ Medici und seinen teuflischen Handlanger und gestattete mir, Mutmaßungen bezüglich ihrer weiteren Pläne anzustellen, denn jetzt stand fest, dass der Vater von Florenz einer der Sieben war und ein tödliches Ziel verfolgte. Aber derartige Gedanken beschäftigten mich nie lange. Ich vergaß die zweiunddreißig Rosen, was
auch immer sie zu bedeuten haben mochten, und den Rest der Hinweise, die wir während unserer einmonatigen Odyssee entdeckt hatten. Ich verbarg den cartone in einem Kästchen in meiner Kammer, holte ihn aber nicht mehr hervor, um ihn zu betrachten - der Schmerz wäre zu groß gewesen, denn ich hatte ihn zu oft mit meiner verlorenen Liebe studiert. Weder das Bild noch das darin enthaltene Geheimnis kümmerten mich noch groß, ich war nur krank vor Sorge um Bruder Guido. Ich würde keine Ruhe finden, bis ich ihn wiedersah, doch als der Winter ins Land zog, begriff ich, dass ich mich in Geduld fassen musste, so unerträglich es mir auch erschien, in dieser eisigen Stadt ausharren zu müssen, ohne Wärme aus dem Wissen um das Schicksal meines Freundes ziehen zu können. Ich wusste, dass der Stadtstaat Florenz Übeltäter nicht lange am Leben ließ und man ihn bald hinrichten würde, denn das Stadtgefängnis war ständig überbelegt.
Von dem Tag an, an dem mich Bruder Nikodemus’ Brief erreichte, begann ich meine Flucht zu planen.
3
Im Rahmen dieser Pläne begann ich Signore Cristoforos Lektionen größere Aufmerksamkeit zu schenken. Ich wollte so viel wie möglich über den Stato del Mar lernen, denn ich wusste, dass ich nur über den Seeweg entkommen konnte. Außerdem musste ich zugeben, dass mich der Unterricht des Genuesen interessierte. Ich war mehr ein Kind der See, als ich gedacht hatte, denn seine Geschichten von großen Reisen und fernen Ländern faszinierten mich. Nur während dieser Zeit vermochte ich die klaffende Lücke zu vergessen, die der Verlust von Bruder Guido in mein Leben gerissen hatte. Ich war ein Schiffswrack, das mit letzter Kraft das Ufer zu erreichen versuchte;
eine dem Untergang geweihte Sirene, die jeden Tag ein wenig tiefer im Wasser versank. Halt durch, mein Liebster , flehte ich. Sowie die Frühjahrsflut kommt, segele ich von hier fort und rette dich.
Zumindest war jedem auf Anhieb klar, dass mein genuesischer Lehrer nicht den Platz meines verlorenen Freundes einnehmen würde. Meine Mutter, die meine Vorgeschichte nur zu gut kannte, hatte einen Mann ausgewählt, der so hässlich war, dass noch nicht einmal ich ihn in mein Bett holen wollte. Abgesehen davon hätte ich ohnehin nie versucht, Signore Cristoforo zu verführen, denn mein Interesse an derlei Dingen war auf den Nullpunkt gesunken, und selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätten drei Einwände gegen seine Person gesprochen.
Obezione uno : Sein Kopf war mit einer
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