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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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eben noch gewesen war. Die kleine Lichtung, auf die ich gelangte, bot mir keine Deckung, aber die Gruppe vor mir schien sich in Luft aufgelöst zu haben, und ich stürmte rücksichtslos vorwärts, wobei ich mich nach allen Seiten umsah, nur nicht nach unten blickte. Schließlich fiel ich auf die Knie und starrte verzweifelt zu Boden. Und stellte fest, dass ich großes Glück gehabt hatte, denn direkt vor mir tat sich ein klaffendes Loch auf, das in eine tintenschwarze Tiefe abfiel.
Ich erschauerte in meinem Mantel. Beinahe hätte ich den Abgrund übersehen, wäre hineingestürzt und hätte mir vermutlich den Hals gebrochen. Jetzt begriff ich auch, wieso der Fackelschein zu einem Kreis geworden und dann verschwunden war: Die Gruppe musste in dieses Loch hinabgestiegen sein. Ich kroch auf dem Bauch an den Band und spähte hinunter - ja, tief unten sah ich einen safranfarbenen Schein. Ich war auf den Eingang eines Tunnels gestoßen. Da unter mir Stille herrschte, mussten die anderen schon ziemlich tief sein. Ich tastete nach Haltegriffen, bekam ein an einem Pfahl befestigtes fettiges Seil zu fassen, holte tief Atem und ließ mich über den Rand gleiten.
    In die Wand waren grobe Löcher für die Füße eingehauen, doch meine modisch spitz zulaufenden Schuhe ließen sich nicht hineinschieben. Meine Füße kratzten über den Stein, die Sehnen meiner Arme knackten. Der Mantel war schwerer als ein Mühlstein, ich hätte ihn im Dickicht zurücklassen sollen. Am liebsten hätte ich meine Schuhe abgestreift, wagte es aber nicht, weil ich fürchtete, sie könnten jemandem dort unten auf den Kopf fallen und mich verraten. Halb glitt, halb hangelte ich mich nach unten. Meine Handinnenflächen brannten wie Feuer, da ich keine Handschuhe trug. Ich hoffte nur, dass der Schacht nicht zu tief war. Aus irgendeinem Grund sah ich plötzlich Bruder Remigios abgetrennten Kopf vor mir, wie er in den Brunnen von Santa Croce fiel. Rasch verdrängte ich das grausige Bild und dachte an eine glücklichere Zeit unter der Erde - an die Katakomben von Rom, in denen ich mit Bruder Guido gewesen war. Der Gedanke an ihn verlieh mir neue Kraft, und im selben Moment berührten meine Füße den Boden.
    Und schon ergab sich das nächste Problem. Von dem Hauptschacht zweigten sechs Tunnel ab, und da überall an den Wänden Fackeln brannten, konnte ich nicht sagen, welchen Weg der Erzherzog und meine Mutter eingeschlagen hatten. Ich lauschte angestrengt, wagte kaum zu atmen, dann hörte ich
ein klirrendes Geräusch, als würde Metall auf Metall geschlagen. Hier fand doch sicher kein Kampf statt? Handelte es sich um Verrat? Hatte der Erzherzog meine Mutter hier heruntergelockt, um sie umzubringen? Mit gemischten Gefühlen huschte ich so leise wie möglich in die Richtung, aus der das Geräusch kam.
    Der Gang fiel tiefer und tiefer ab, der Stein unter meinen Füßen wurde mit jedem Schritt glitschiger vor Feuchtigkeit. Endlich öffnete sich der schmale Tunnel in eine Höhle, und das bernsteinfarbene Glühen wurde stärker. Ich wusste, dass sich die Gruppe in der großen Felskammer aufhielt, der ich mich näherte, dann ich hörte die Stimmen meiner Mutter und des Erzherzogs durch die Höhle hallen. Behutsam kletterte ich auf einen Felsvorsprung und spähte über den Rand. Von hier aus konnte ich alles gut überblicken. Fast kam es mir so vor, als würde ich ein Schauspiel verfolgen. Alle Darsteller hatten ihre Plätze eingenommen, und meine Mutter, lebend und unversehrt, hatte soeben das Wort ergriffen.
    »Erzherzog Sigismund, darf ich Euch die besten Männer vorstellen, die die Zecca zu bieten hat? Dies ist Signore da Mosto, unser Metallprüfer.« Ein säuerlich dreinblickender Bursche in einem schwarzweißen Umhang und einem weichen schwarzen viereckigen Filzhut auf dem Kopf trat vor. »Unser Eisenschmied, Signore Mantovano.« Signore Mantovano war ein vierschrötiger Mann mit den schmutzigsten Händen, die ich je gesehen hatte. »Signore Contino, unser Silberschmied.« Das war die lüsterne Ratte, die ihre Hände nicht bei sich behalten konnte. »Und Signore Scarpi, unser Geldmünzer.« Signore Scarpi war ein Hüne von einem Mann, der nur Hosen und einen Ringergürtel trug und einen Hammer schwang. Mit einem solchen Riesen an ihrer Seite brauchte ich mir um die Sicherheit meiner Mutter keine Sorgen zu machen. »Und wenn ich sage, es sind die Besten, die die Zecca zu bieten hat, heißt das, dass sie die Besten überhaupt sind, denn ich brauche Euch ja nicht

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