Das Geheimnis Des Frühlings
erst zu erklären,
dass es sich bei der Zecca von Venedig um die beste Münzprägeanstalt auf dieser Erde handelt.« Der Stolz in ihrer Stimme war unüberhörbar, aber mir war schleierhaft, was sie meinte. Wozu war diese seltsame Schar von Männern hier? Warum waren sie so wichtig, dass sie mit ihr in der Mocenigo-Kutsche fahren durften? Zwei wirkten zwar, als stammten sie aus besseren Familien, aber die beiden anderen sahen aus wie gewöhnliche Bauern.
»Signore Mantovano, das Prägesiegel bitte.« Meine Mutter streckte eine Hand aus, und der Eisenschmied überreichte ihr einen schweren Gegenstand - dass er schwer war, erkannte ich an der Art, wie ihre Hand nach unten gezogen wurde. Das Ding brach in zwei Teile.
»Darf ich einmal sehen?« Unser Gastgeber trat ins Licht. Nach einem Moment sagte er: »Ein sehr ansprechendes Bild. Ein bisschen zu... pompös vielleicht, aber wir kennen ja den Geschmack unseres Freundes. Zeigt doch bitte den Rohling her.« Auf diese Aufforderung hin trat der Silberschmied mit einer runden, im Fackelschein blitzenden Silberscheibe vor.
Dann kam der Prüfer an die Reihe. Er hielt eine kleine Waage in den Händen; zwei winzige Messingpfannen, die an einer feinen goldenen Kette an einem Kupferbalken hingen. Er legte einen Bleibarren in die eine Pfanne, die Scheibe in die andere und verkündete: »Einhundertvierundzwanzig. Ich erkläre dies zu einem silbernen Engelstaler.«
»Nun gut.« Erzherzog Sigismund rieb sich die Hände wie ein Kind, das sich auf Weihnachten freut. »Dann wollen wir einen prägen. Signore?«, wandte er sich an den Geldmünzer. Der Silberschmied griff nach dem Prägestempel, legte die Silberscheibe zwischen die beiden Hälften und trat zurück. »Wir werden jetzt Zeuge eines historischen Ereignisses«, prahlte der Erzherzog im selben Moment, in dem der Münzer mit seinem Hammer ausholte und mit voller Kraft zuschlug.
Ganz eindeutig war das historische Ereignis noch nicht bereit, bezeugt zu werden, denn der stämmige Münzer, den
die hochtrabende Ankündigung des Erzherzogs ganz offensichtlich irritiert hatte, traf nicht richtig; die Silberscheibe schwirrte ins Dunkel davon und pfiff dicht an meinem Ohr vorbei. Aller Augen blickten in meine Richtung, woraufhin ich mich so rasch wie möglich duckte und den Atem anhielt. Und dabei wurde mir endlich die Wahrheit enthüllt, denn direkt zu meinen Füßen war eine Silbermünze liegen geblieben. Ich nahm mir noch die Zeit, sie in meinem Ärmel zu verstauen, bevor ich mich wieder aufrichtete.
Die Männer unter mir scharrten unbehaglich mit den Füßen, und der Erzherzog blickte meine Mutter mit hochgezogenen Brauen an.
»Es tut mir leid, Dogaressa«, murmelte der Hüne. »Es liegt am Licht. Ich bin es nicht gewöhnt, bei Fackelschein zu arbeiten.«
»Macht es besser!«, spie meine Mutter. Wäre er nicht so groß gewesen, hätte sie ihm wohl eine Ohrfeige versetzt. »Der Ruf Eurer Gilde steht auf dem Spiel - und der gute Ruf von ganz Venedig!«
Beim nächsten Mal saß der Schlag; das Geräusch erinnerte an den Klang einer Glocke. Der erste Engelstaler war geprägt und wurde dem Erzherzog zur Begutachtung überreicht.
Er drehte ihn in der Hand. »Sehr schön«, lobte er. »Ich werde ihn behalten, um ihn dem Kaiser zu zeigen.« Ehe meine Mutter Einwände erheben konnte, reichte er die Münze an seinen Diener weiter.
Da dies das Ende der geschäftlichen Besprechung bedeuten musste, glitt ich, so rasch ich konnte, wieder zu Boden.
Aber jetzt ließ mich das Glück im Stich. Ich löste eine kleine Kieselsteinlawine aus, und die Gruppe unter mir verstummte abrupt.
»Spione!«, zischte Erzherzog Sigismund. » Bewegt euch !«
Als hätte er mich direkt angesprochen, rannte ich, wie von Furien gejagt, zum Hauptschacht zurück. Weder mein Mantel noch meine Schuhe behinderten mich diesmal, als ich an dem
Seil hochkletterte, über die Lichtung in das Dickicht schoss und mich hinter dem dicksten Baumstamm versteckte, den ich entdecken konnte. Vor lauter Panik wäre ich beinah direkt zum Schloss zurückgerannt, aber mir fiel gerade noch rechtzeitig ein, dass man mich ohne den Erzherzog und seine Begleiter nicht einlassen würde. Die kurze Zeit des Wartens war eine einzige Qual - mein Körper befahl mir, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden, mein Verstand riet eindringlich davon ab. Dann tauchten meine Mutter, der Erzherzog und zwei Wachposten aus dem Schacht auf.
»Niemand hier«, stellte unser Gastgeber fest. Er sah
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