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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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die Moses auf Gottes Geheiß angefertigt hat? Hier in Mailand?«
    »Der Herr ist mein Zeuge.«
    Daran zweifelte ich nicht. Ich blickte die Schlange erneut ehrfürchtig an, und die Schlange starrte mich an.
    »Dann gestattet der Dogaressa bitte, allein vor diesem Wunder zu beten. Wir werden danach aufbrechen.«
    Der Mönch nickte und zog sich zurück, seine Lampe erlosch. Vermutlich begab er sich zu seiner kurzen Ruhe.
    »So«, begann ich. »Dann wollen wir diese Nuss knacken.« Ich zog den cartone aus meinem Mieder, entrollte ihn und legte ihn auf die aufgeschlagene Bibel. »Auf dieser Säule in Ludovicos Armeekirche sitzt eine Schlange, genau so eine wie die an dem Cad... Cad... an Merkurs Stab.«
    »Dem Caduceus, ja.«
    »Aber hier auf der Säule ist nur eine Schlange. Um Merkurs Stab winden sich zwei, siehst du?« Wir beugten uns beide über die kriegerische Gestalt, die mit ihrem Schlangenstab die Wolken bewegte. Und richtig, zwei Schlangen ringelten sich darum.
    Bruder Guido ließ sich nicht beirren. »Ich denke, wir müssen uns näher mit dem Namen des Idols befassen. Das hebräische Wortheißt Schlange, während Kupfer oder Bronze bedeutet.«
    »So?« Ich machte aus meiner Ungeduld kein Hehl.
    »Lass mich ausreden. Die Endung weist daraufhin, dass das ursprüngliche Idol aus zwei Schlangen bestand. Zwei Schlangen an einem Stab.«
    »Gut, Merkurs Caduceus ist also Nehushtan.«
    »Zweifellos. Aber ich dachte an einen anderen Stab, der sich in unserem Besitz befindet.«
    Ich starrte ihn verständnislos an. Er berührte meinen Arm. »Die Karte«, sagte er knapp.
    Ich zog die hölzerne Rolle aus meinem Überwurf. Wir kauerten uns vor die Flamme und betrachteten die in ein Ende des Holzstabs eingeritzte Schlange. Sie erinnerte mich an ein Brandzeichen.
    »Demnach haben wir hier ein Modell dieser Säule«, sagte ich langsam.
    »Eine Replik, ja. Nur ist es keine echte Kopie, denn die Markierungen auf dem Holz sind lediglich wirre Kratzer, die nichts bedeuten.«
    »Aber diese Säule«, ich schlug gegen den kalten Stein, »weist eher ein Muster auf.«

    »Ich sehe, was du meinst«, stimmte Bruder Guido zu. »Diese Zeichen sind viel gleichmäßiger - ein Zickzackmuster, das war bei den Byzantinern eine beliebte Verzierung. Sie erinnert fast an einen... Pfeil.«
    »Pfeile?« Ich dachte an die zugige Schießscharte in meiner Zelle. »Du meinst, es ist ein Hinweis auf eine Armee? Ludovicos Armee?«

    »Nein, nein. Ich meinte das alte Pfeilsymbol , siehst du?« Er fuhr mit dem Finger über eine der regelmäßigen Kerben in der massiven Säule. »Ein altes Symbol, das...«
    »Ja?«, drängte ich.
    »Eine Richtung anzeigt! «, krähte er. »Es zeigt uns eine Richtung. Gehen wir um die Säule herum.«
    Wir schritten in entgegengesetzter Richtung um die Steinsäule, während die Schlange uns giftig beobachtete, und trafen uns am Ausgangspunkt wieder.
    »Wunderbar«, grollte ich. »Irgendjemand hat uns klassisch in die Irre geführt.«
    »Möglich. Vielleicht sagt uns das Zeichen ja nicht, was wir mit dieser Säule tun sollen, sondern mit der Replik.«
    Wir drehten die Holzrolle im Kerzenschein hin und her, doch die Kratzer ergaben immer noch keinen Sinn.
    »Es sei denn...«, begann Bruder Guido langsam.
    Und dann schien er den Verstand zu verlieren.
    Er rannte zum Altar und packte einen halb vollen Abendmahlskelch. Ich starrte ihn an, denn jetzt war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um eine kleine Erfrischung zu sich zu nehmen. Dann kam er zu mir zurück, griff nach der großen Bibel, riss die Seite heraus, die der Sakristan uns vorgelesen hatte, wuchtete die Bibel auf das Chorpult zurück und klappte sie zu, um sein Vergehen zu vertuschen. Mir blieb fast der Mund offen stehen. Einen solchen Frevel hätte ich ihm nie zugetraut. Ich wusste nicht, was mich mehr schockierte - der Umstand, dass er eine Bibel zerrissen hatte, oder der, dass er sich an einem Buch vergriffen hatte, seinem Freund und Gefährten, der Freude seiner Jugend und seine größte Liebe. Er legte die Seite neben der Kerze auf den Boden, tauchte die Hände in den Kelch und zog sie blutrot und triefend wie ein Mörder wieder heraus. Dann rieb er den dunklen Wein auf das Holz und rollte es über die herausgerissene Seite, als rolle er einen Kuchenteig aus. Der Wein trocknete auf dem Pergament sofort, und er nahm die Rolle weg. Der Abdruck war verwischt
und verzerrt, aber man konnte genau erkennen, was er darstellte. Hier war Land, dort das Meer.
    Eine

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