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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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ich die Nacht verbracht hatte?
    »Sie bittet Euch, dies hier anzuziehen.« Der Offizier warf die Seide auf den Strohsack. Meine Stimmung hob sich - ich für meinen Teil würde keine kostbare Seide an eine Tochter verschwenden, die ich den Löwen zum Fraß vorwerfen wollte.
    Ich fragte mich, ob der Kerl mir beim Ankleiden zusehen wollte, aber nein, die Tür wurde wieder geschlossen. Ich schälte mich aus meinem Kleid und zog das flammenfarbene an; froh, mich von der verschmutzten schwarzen Seide verabschieden zu können, denn sie starrte nach der langen Reise in der Kutsche und der wilden Rennerei durch Mailand in der Nacht zuvor vor Schweiß. Ich schnupperte an meinen Achselhöhlen, zuckte zusammen und wünschte, ich hätte etwas Nelkenöl, um es mir unter die Arme zu reiben, aber es würde auch so gehen müssen. Zum Glück hatte mir meine Mutter keine Zofe geschickt, die mir bei meiner Toilette behilflich sein sollte, sie hätte allzu leicht den cartone, die Geldkatze, die hölzerne Kartenrolle und die Bibelseite entdecken können. Mein Haar fiel mir wirr und zerzaust über den Rücken; der windige Turm hatte es in ein besseres Vogelnest verwandelt, aber ich hatte keine Möglichkeit, mich zu frisieren; keinen Kamm, keinen Spiegel. Ich kämmte die langen Flechten mit den Fingern, so gut es ging, entwirrte die schlimmsten Knoten und flocht mir einen schweren Zopf, den ich mir über eine Schulter zog. Da ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte, klopfte ich an meine Zellentür, woraufhin der Offzier meine Zelle aufschloss und mich ohne ein Wort am Arm nahm.
    Ich schlang den Pelzumhang enger um mich und folgte ihm dieselbe Treppe hinunter, die mein Freund und ich gestern Nacht genommen hatten. Er führte mich über den Exerzierplatz, der noch immer mit Raureif überzogen war, der unter meinen Schritten knirschte. Eine Division Soldaten wurde dort gerade gedrillt. Die Stimme ihres Sergeanten hallte von den
vier roten Wänden wider, die im hellen Morgenlicht blutiger denn je wirkten. Ich hielt unter den Männern in den ockerfarbenen Umhängen nach Bruder Guido Ausschau, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Hatte meine Mutter ihn erkannt; ihn ein weiteres Mal verhaften lassen? Ich hielt das eher für unwahrscheinlich, denn meine Mutter sprach weder mit Leuten, die rangmäßig weit unter ihr standen, noch sah sie sie sich genauer an. Sie würde nie in einem Soldatenbatallion nach dem Gesicht eines Edelmannes suchen. Aber vielleicht hatte sie einen Spion auf mich angesetzt und wusste über die Ereignisse der letzten Nacht Bescheid. Mein Hass auf die Frau, die mich hatte gefangen setzen und hungern lassen, schlug in Furcht um. Ich überquerte einen schmalen Graben und gelangte in einen Palast von solcher Pracht, dass ich kaum glauben mochte, dass mein armseliges Gefängnis ein Teil davon war. Jede Wand war mit aprikosenfarbener Seide und Goldstoff bespannt, und aus jeder Ecke fixierte die Sforza-Schlange ihre Umgebung aus tückischen Augen.
    Nehushtan.
    Die Gemächer meiner Mutter waren gleichfalls überaus prunkvoll eingerichtet, die Wände blassblau getüncht und mit Silberfäden durchwoben. Sie selbst saß in einem leuchtend roten Seidengewand, das zu meinem und auch, wie ich zusammenzuckend registrierte, zu der Flammenverzierung des Umhangs von Merkur-Mailand passte, vor einem Spiegel. Meine Gedanken überschlugen sich. War diese Übereinstimmung ein Schlüssel oder ein Hinweis auf die Verschwörung, in die sie verwickelt war? Sie kämmte ihr Haar mit einem Sandelholzkamm und badete dabei die Füße in einem silbernen Becken mit Rosenwasser. Der süße Duft erfüllte den Raum, und meine Furcht wich aufwallendem Zorn. Dieses Luder hatte mich in einem kalten, zugigen Turm einschließen lassen, während sie selbst im Luxus schwelgte wie die Königin von Mailand.
    Doch sie überraschte mich wieder einmal. Sie legte den Kamm beiseite und lächelte so ungezwungen, als käme ich
geradewegs vom Lustwandeln und nicht aus einer Gefängniszelle.
    »Tochter.« Sie breitete die Arme aus. »Ich freue mich, dich zu sehen. Ich hoffe doch, du bist nicht allzu unbequem untergebracht?«
    Zum Glück wartete sie meine Antwort nicht ab, denn mir lagen ein paar ausgewählte Beschimpfungen auf der Zunge.
    »Aber es wird dich freuen zu hören, dass du diese Unannehmlichkeiten nur noch eine Nacht länger ertragen musst. Du wirst sicher verstehen, dass ich es nicht riskieren konnte, das Kostbarste zu verlieren, das ich habe, was nach deinen

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