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Das Geheimnis des Goldmachers

Das Geheimnis des Goldmachers

Titel: Das Geheimnis des Goldmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hereld
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vonnöten, um mich in die Arme von Nikolaus zu treiben,
denn die Begeisterung, die seine Worte in mir weckten, klang noch lange nach
und war ebenso unermesslich wie mein Gottvertrauen in seine Mission, nichts
hätte mich damals davon abhalten können, ihm zu folgen.
    Die nächsten Wochen vor dem
Aufbruch waren die erfülltesten meines noch so jungen Lebens. Befreit von den
Zwängen der Klosterordnung und vereint mit einer großen Schar gleichgesinnter
Altersgenossen verbrachten wir die Wartezeit bis zum Abmarsch gutbehütet und
vom Cöllner Bischof mit Unterkunft sowie Speis und Trank versorgt in
romantischen Träumereien ob des vor uns liegenden Abenteuers. So verstrichen
die Tage mit Gelächter und Gesang.
    Aus den Tagen des Wartens wurden
Wochen und die Schar derer, die gemeinsam mit Nikolaus Jerusalem zu erobern
gedachte, wuchs nahezu von Glockenschlag zu Glockenschlag, bis endlich, an
einem warmen Maientage, die Zeit des Aufbruchs gekommen war.
    Nun oblag es dem Bischof, wenn ich
mich recht entsinne, war es damals Dietrich von Hengebach, eine Ansprache zu
halten. Lange nicht beseelt mit jenem glühenden Enthusiasmus wie seinerzeit die
von Nikolaus, habe ich nur noch Fragmente seiner Rede im Gedächtnis, und, er
möge es mir verzeihen, seine Sprache war so kühl und distanziert, dass ich
bereits die Hälfte vergaß, bevor er endete, nur eines ist mir noch gut im
Gedächtnis geblieben. Es war die Art und Weise, wie er die gestandenen Männer
anging, die nicht in den Krieg gegen die Ungläubigen ziehen wollten. Er stellte
sie als Feiglinge dar und beschämte sie aufs Übelste, schimpfte, dass ihre Kinder,
wehrlos und waffenunkundig, jenes Werk zu tun gedachten, welches eigentlich
sie, die Männer, sich gegenüber dem Herrn verpflichtet fühlen sollten. Es
folgte betretenes Schweigen und nicht wenige von ihnen schauten schuldbewusst
zu Boden.
    »Hört, was der Heilige Vater,
Papst Innozenz der Dritte, zu Nikolaus und seinen kühnen Weggefährten verlauten
lässt. Diese Depesche erreichte mich soeben aus dem fernen Rom.«
    Er rollte ein Pergament aus, hielt
es sodann hoch über seinen Kopf, damit auch jeder die Nachricht von Gottes
oberstem Hirten sehen könne, dann fuhr er fort, und Ehrfurcht ließ seine Stimme
erbeben:
    »Mit Sorge muss ich feststellen,
dass große Teile des Volkes immer vehementer weitere Kämpfe ums Heilige Land
ablehnen. So sind es nun tatsächlich Kinder, unbewaffnet und wehrlos, welche
ihre Väter beschämen, indem sie frohgemut ausziehen, Jerusalem zu erobern. Sie
tun ihre vom Allmächtigen auferlegte Pflicht, während die Ausgewachsenen und
Starken, die Kampferprobten und Erfahrenen sich des Nachts unbekümmert zur Ruhe
betten. Doch ist es nicht unser aller Pflicht, seinen Namen in die Welt zu
tragen und seine Lehren allüberall zu verbreiten?«
    In jener Art setzte sich die
Ansprache des Papstes aus dem Munde des Bischofs fort, und nicht schwer ist es,
mit nunmehr nüchternem Kopf zu erkennen, was letztendlich vom Klerus bezweckt
wurde. Es war eine monströse Anwerbungskampagne, nichts anderes, doch
seinerzeit war ich blind vor Eifer und einzig von dem Gedanken an das
bevorstehende Abenteuer beseelt, unfähig, argwöhnisch hinter alledem einen
großen Plan zu entdecken. So also rannten ich und mit mir zwanzigtausend
andere, hauptsächlich Kinder, aber auch junge Geistliche und Alte, in ihr
Verderben.
    Unter tosendem Jubel und
mit viel Trara zog sich der nicht enden wollende Zug wie ein gigantischer,
schillernd farbenfroher Regenwurm durch Cöllns Straßen, umsäumt von abertausend
Schaulustigen. Doch nicht die Eindrücke von dem erhebenden Moment unseres
triumphalen Auszuges aus der Stadt sind es, die mich noch heute heimsuchen,
vielmehr belastet meine Seele eine Fülle tragischer Erinnerungen. Weinende
Mütter, die einsam am Straßenrand stehen und sehnsüchtig ihren fortziehenden
Kindern hinterhersehen, ahnend, dass dies ein Abschied für immer sei. Väter,
die mit leblosen Augen in die Menge starren, die Hand erhoben zum letzten Gruß.
Und auch einige Kinder schienen angesichts dessen nicht mehr sicher, ob sie
denn tatsächlich den rechten Weg einschlugen, doch nur wenige von ihnen hatten
nun tatsächlich noch genügend Mut und Kraft, sich aus dem Verbund zu lösen und
unserem Zug den Rücken zuzukehren.
    Am heftigsten jedoch quält mich
seit jenen Tagen die Erinnerung an eine Tragödie, die sich direkt neben mir
zutrug. Ein Mann, groß und stark wie ein Bär, mit einem dichten schwarzen

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