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Das Geheimnis des Goldmachers

Das Geheimnis des Goldmachers

Titel: Das Geheimnis des Goldmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hereld
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Bart,
der dem des Samson zu aller Ehre gereicht hätte, flehte seine direkt neben mir
gehende Tochter verzweifelt an, nicht mit uns in den Krieg zu ziehen. Das
Mädchen mochte gerade einmal zehn Jahre alt sein, doch bereits jetzt war es
hübsch anzusehen, das blonde Haar strahlte heller als die Sonne und die blasse
Haut verlieh dem Kind eine nahezu ätherische Anmut. Die Mutter des Mädchens
musste eine Schönheit ohnegleichen gewesen sein.
    »Sei unbesorgt, liebster Vater,
bald werde ich wieder zurück sein. Auch du hast Nikolaus gehört, so weißt du
also, dass Gottes Segen und Kraft mit uns sein werden!«, sagte die Kleine mit
glockenheller Stimme.
    »Gern würde ich’s für bare Münze
nehmen, doch mir fehlt die Sicherheit deines Glaubens. Schließlich hat der Herr
schon deine Mutter zu sich geholt, wie kann ich gutheißen, dass er mir auch
noch dich nimmt? Ach Kind, liebend gern würde ich dich begleiten, doch ich kann
deine Geschwister nicht allein lassen. Luise, ich bitt’ dich, komm zur
Besinnung und bleib bei uns, ich fleh dich an, mein Kind, bitte!«
    Der Bärtige war völlig aufgewühlt,
Verzweiflung, Angst und Entsetzen – Emotionen, die einfach nicht zu diesem
kantig-männlichen Gesicht passen wollten, verzerrten seine Züge. Schon näherten
sich einige unserer erwachsenen Gefährten, bereit zu verhindern, dass der Mann
seine Tochter gegen ihren Willen aus dem Zug zog.
    ›Nur wer es sich vor dem Verlassen
der Stadt anders überlegt und aus freien Stücken daheimbleiben will, darf dem
Zug noch den Rücken kehren‹, so Nikolaus’ eindeutige Anweisung. Ein letztes Mal
schaute das Mädchen ihrem Vater voller Zuversicht und Gottvertrauen in die
Augen, dann entschwand es zur anderen Seite des Zuges und damit auch seinen
Blicken. Voller Wehmut sah er seiner Tochter hinterher, sich durchaus bewusst,
sie auf immer verloren zu haben. Gleich darauf fixierte er mich, eindringlich,
fordernd. Ich weiß bis heute nicht, wieso er ausgerechnet mich erwählte, doch
ich war es, den er als Behüter seines Kindes auserkoren hatte, er verpflichtete
mich geradezu, auf sie Acht zu geben, keine tausend Wörter hätten dieses
deutlicher ausdrücken können als jener nur einen Herzschlag währende Blick.
Eine schwere Bürde für einen zwölfjährigen Knaben, doch ich gab ihm mit einem
Nicken zu verstehen, dass ich mich der Aufgabe verpflichtet und gewachsen
fühlte. Noch lange schaute ich immer wieder zu dem Mann zurück, sah, wie er auf
die Knie fiel, jammernd und schluchzend wie ein kleines Kind, wohlgemerkt, ein
Mann wie ein Berg, vielleicht gar größer noch, als ich es heute bin. Und noch
immer schrecke ich nachts schweißnass auf und sehe sein Gesicht vor mir, und
wieder entsinne ich mich, wie jämmerlich ich doch scheiterte an meiner
Aufgabe.«
    Roberts Stimme wurde brüchig, dann
versagte sie ihm schließlich vollends den Dienst.
    Ein jeder schaute betroffen zu
Boden.
    Als Albert nach einer angemessenen
Weile das betretene Schweigen mit tröstenden Worten brechen wollte, kam ihm
Robert unvermittelt mit einem dem Ort gänzlich unangemessenen Fluch zuvor.
    »Verzeiht meinen Ausbruch,
verehrter Mönch«, setzte Robert rasch nach, »doch der Gram sitzt tief und wird
mich wohl mein Leben lang nicht friedlich ruhen lassen. Ihr müsst wissen, dass
ich mich sofort, nachdem der Vater meinem Blickfeld entschwand, auf die Suche
nach dem Mädchen machte, doch vergeblich, ich konnte es nicht mehr finden. Nach
einigen Tagen der erfolglosen Suche dachte ich, sie habe sich doch noch
besonnen und wäre in Cölln geblieben, umso entsetzlicher war der Augenblick,
als ich sie gute zwei Monate später in meinen Armen hielt, erschlagen von einer
Gerölllawine. Ihr Blut besudelte mein Wams, doch vielmehr noch meine Seele, die
sich fortan nicht mehr frei fühlte von Schuld. Ein Novize neben mir sagte
seinerzeit, Gott wolle uns prüfen, doch dachte ich, nicht eine Prüfung war’s, sondern
vielmehr eine Strafe, die er einzig und allein mir auferlegte. Doch wofür, so
fragte ich mich? Was hatte ich getan, um derart gestraft zu werden? Hatte ich
nicht zeitlebens gottgefällig gelebt? Hatte ich nicht alles getan, um seiner
Gnade und Güte wert zu sein? Und sei auch ihr Tod vorbestimmt gewesen, musste
denn ausgerechnet ich sie entdecken, ich, der das Mädchen zu schützen gelobte
und der sie zuvor tagelang vergeblich gesucht hatte?
    Zum ersten Mal, stellte ich mit
Erschrecken fest, dachte ich im Zorn an Gott, denn ich wollte wegen

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