Das Geheimnis des Highlanders (German Edition)
dies für sich, denn es standen zu viele Leute um die beiden Männer herum und beobachteten sie, anstatt dem Laird zu Hilfe zu eilen. Nein, das hier war etwas anderes.
Das Klirren der Schwerter schallte über den Hof, und Jocelyn hätte schwören können, dass sie den Aufschlag eines jeden Treffers körperlich wahrnehmen konnte. Wie es überhaupt möglich war, derart große und schwere Klingen zu heben, war ihr ein Rätsel, ganz zu schweigen davon, wie man sie auch noch durch die Luft wirbeln und mit ihnen zustechen konnte. Eine Weile ging der Kampf so weiter, und als die nass geschwitzten Krieger eine kurze Pause einlegten, diente diese nur dem Zweck, das Hemd auszuziehen. Danach drehte sich Rurik schon wieder um die eigene Achse und setzte zu einem nächsten Angriff an.
Die Sonne durchdrang die Wolkendecke, und ihre Strahlen spiegelten sich auf dem nackten schweißglänzenden Oberkörper der beiden Kämpfer. Mal verschaffte sich der eine, mal der andere Vorteile. Obwohl Rurik mindestens eine Handbreit größer war als der Laird, wirkte dieser neben ihm nicht weniger beeindruckend. Beide waren sie sehr muskulöse Krieger und für das weibliche Auge sehr verlockend anzusehen, was die große Gruppe Frauen erklärte, die mittlerweile zusammengekommen war, um das Geschehen zu verfolgen. Ausnahmslos schirmten sie die Augen vor der Sonne ab, und genauso ausnahmslos ließen sie ihre Zungenspitzen über ihre Lippen gleiten, als sie sich dem Anblick der Streitenden hingaben, ihren verlockenden Posen des Angriffs, der Täuschung sowie der Abwehr.
Die Männer und die Jungen, die den Kampf verfolgten, teilten sich anscheinend in zwei Lager, abhängig davon, auf wessen Seite sie standen. Da sie jedoch bei jedem Hieb jubelten, ganz gleich wer ihn führte, konnte Jocelyn nur den Kopf schütteln. Als sie ihren Blick zu den Kämpfern zurückkehren ließ, schloss sie rasch die Augen, da Ruriks Klinge soeben auf der Brust des Lairds einen blutenden Schnitt hinterlassen hatte. Anstatt wie vernünftige Menschen spätestens jetzt diesem ohnehin nicht ernsthaften Kampf ein Ende zu setzen, machten die zwei einfach weiter.
Das war der Augenblick, als Jocelyn etwas bemerkte.
Etwas an ihrem Ehemann.
Der zeigte sich nicht länger als der ernste, mürrische Mann, der sie am Morgen mit gedankenverlorenem Blick begrüßte, auch nicht als der schweigsame Liebhaber, der zu ihr ins Bett stieg. In diesem Moment war er wirklich die Bestie der Highlands, in diesem Moment trotzte er der Herausforderung eines Ebenbürtigen oder vielleicht sogar eines Überlegenen, ohne Angst oder Wohlwollen zu zeigen. Mehr noch: Er lachte. Und fluchte. Er lächelte finster und entschlossen, und er warf seinem Widersacher wütende Blicke zu.
So von Leben erfüllt, wie sie es noch nie bei ihm wahrgenommen hatte, wehrte er jeden von Ruriks Hieben ab und trieb ihn dabei auch noch nach hinten, bis der die Außenmauer der Stallungen im Rücken hatte und der Laird ihm sein Schwert gegen die Kehle drückte. Gebannt hielt Jocelyn den Atem an, da sie keine Ahnung hatte, wie es nun weiterging. Würde Rurik seine Niederlage eingestehen? Oder würde er sich zur Wehr setzen und stattdessen den Laird vernichtend schlagen? Die Menge wurde immer unruhiger, bis sie sich am liebsten die Ohren zugehalten hätte.
In diesem Augenblick tauchte Duncan neben ihr auf.
„Ich war zu spät, um ihn zu warnen.“
Beinahe hätte sie sich zu ihm umgedreht, aber sie wollte nicht den Ausgang des Duells verpassen. „Ihn warnen? Den Laird oder Rurik?“
„Euren Mann“, antwortete er mit einem Anflug von Ungeduld in seiner Stimme, was Jocelyn dazu veranlasste, ihm einen Seitenblick zuzuwerfen.
„Ah“, machte sie und nickte verstehend. Das war ein altes Ritual der beiden Kämpfer. Nach der Reaktion der Umstehenden zu urteilen, hatten sie das schon viele Male miterlebt. So schnell, wie sich die Menge um die Männer geschart hatte, musste es ein Ereignis sein, auf das jeder wartete, sobald Rurik nach Lairig Dubh kam. „Dann passiert so etwas also öfter?“
„In der letzten Zeit nicht.“
„Warum wolltet Ihr ihn warnen? Es ist doch offensichtlich, dass ihn diese Herausforderung begeistert.“
Die Menge brach in Applaus und Jubel aus, als der Laird und Rurik ihre Schwerter jüngeren Männern zuwarfen und sich wieder wie Kameraden die Hände reichten. Während sich die Gruppe der Zuschauer aufzulösen begann, betraten zahlreiche Krieger den Hof, um mit ihrem Laird dessen Sieg zu feiern.
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