Das Geheimnis des Himmels
Weg abbringen zu lassen. Er stieg die breite Treppe hinunter und betrat das Empfangszimmer seines Vaters. Max von der Aue stand am Tisch. Erwartungsvoll blickte er seinem Sohn entgegen. Friedrich ging auf ihn zu, küsste ihm die Hand und verbeugte sich artig.
Der Vater umarmte ihn kurz. „Mein Sohn, gut, dass du gekommen bist. Du hast meinen Brief erhalten?“ Wie immer kam er direkt zur Sache.
„Ja, Vater. Und deshalb bin ich gekommen.“
„Wie war deine Reise?“
„Ohne Probleme. Die Wege scheinen sicherer geworden zu sein.“
„Gut. Was hast du mir zu sagen?“
„Dass wir über deinen Brief und deine Vorstellungen über meinen Lebensweg sprechen müssen.“
„Was gibt es da noch zu besprechen? Ich habe dir doch genau erklärt, wie ich mir deine Zukunft vorstelle. Du brauchst nur einzuwilligen – dann gibt es nichts mehr, was zwischen uns steht.“
Friedrich spürte, dass er einen schweren Gang vor sich hatte. „Wenn du nicht bereit bist, mich anzuhören … läuft dann allesdarauf hinaus, dass ich entweder deine Forderungen zu erfüllen habe oder du mich verstößt? Sehe ich das richtig?“
„Ich hätte es anders ausgedrückt. Aber wenn du es so nennen willst, ja!“
„Ich brauche dich vermutlich nicht zu fragen, ob es dich interessiert, was mein Glück ausmacht?“
„Nein, das brauchst du wirklich nicht. Dein Glück, dein Glück … Was verstehst du schon von Glück. Eine kurze Überwältigung durch die Gefühle, ein kurzes Aufwallen der Triebe, das ist alles, an das du denken kannst. Aber der Alltag? Keine ordentliche Anstellung, kein sicheres Einkommen, dazu ein Stall voller Kinder und eine Frau, die verhärmt ist von der täglichen Arbeit und Not. Schon bald wird sie nicht mehr die sein, die du einst gefunden zu haben meintest. Wer wirst du dann sein? Ein Nichts! Du wirst nicht einmal mehr in der Lage sein, deiner Frau das zu bieten, was du ihr einst versprochen hast! Kommt deine Barbara nicht aus einem Professorenhaus? Stellt sie dadurch nicht Ansprüche, die du ihr auf Dauer nicht erfüllen kannst? Ganz abgesehen davon, dass mit dieser Familie ja etwas nicht zu stimmen scheint … der Vater auf der Flucht oder ermordet, die Mutter mit den Kindern ebenfalls in unsteter Wanderschaft begriffen? Erzähle du mir nichts von deinem Glück!“
Die Worte klangen hart und bitter. Was Friedrich wie ein Stich ins Herz fuhr, war die Erkenntnis, dass es tatsächlich nicht sicher war, ob sie unter diesen Umständen ihr Glück bewahren konnten. Wer wusste schon, was die Zukunft an Glück oder Ungemach bereithielt?
„In eine solche Lage kann ich aber erst dann kommen, wenn du mir deine Unterstützung entziehst. Noch ein Jahr, und ich werde meine Studien beendet haben. Das kann ich natürlich nicht, wenn ich meine Familie versorgen muss. Warum gewährst du mir nicht noch dieses eine Jahr, wenn du mich alsSyndicus in guter Anstellung sehen möchtest?“ Geschickt hatte Friedrich den Ball zurückgespielt. Wenn er jedoch glaubte, dass sein Vater nun klein beigeben würde, hatte er sich getäuscht.
„Hier, lies!“ Max von der Aue zog ein kleines Dokument hervor und hielt es seinem Sohn hin.
„Was ist das?“
„Lies es, du wirst schon darauf kommen!“
Friedrich nahm das Papier entgegen, entfaltete es und las.
Gnade und Friede in Christo zuvor!
Ihr, Max von der Aue, habt mich, Gregor von Schwalbach, kaiserlicher Hofrat, um eine Auskunft betreffs eines Leonhard Bernhardi, seines Zeichens Magister der Philosophie im herzoglichen Sachsen, angefragt. Wie Euch bereits bekannt ist, ist dieser Magister Bernhardi seit einigen Wochen unauffindbar. Auf ihn wurde ein Attentat verübt, das er nur knapp überlebt hat. Die Gründe für dieses Ereignis scheinen in seiner unstatthaften Beschäftigung mit der lutherischen Lehre zu liegen. Aber wie mir aus höchsten und geheimen Quellen zugetragen wurde, steckt hinter diesem Vorkommnis ein weiterer Anlass von höchster Priorität für das gesamte Reich. Es geht dabei um mehr als nur um Rechtgläubigkeit oder Häresie, und das wäre schon Grund genug, vor diesem Magister Bernhardi zu warnen
.
Ich bin von höchster Stelle darauf hingewiesen worden, dass dieser Bernhardi im Begriff ist, einen Aufruhr zu verursachen, der die gesamte kirchliche und herrschaftliche Ordnung zerstören könnte. Es muss um jeden Preis verhindert werden, dass die Idee, mit der Bernhardi sich beschäftigt, ihren Weg in die Welt findet. Es ist nicht auszuschließen, dass Euer Sohn mehr von
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