Das Geheimnis des Himmels
dieser Angelegenheit weiß, als wir ahnen. Deshalb wird nicht nur er, sondern auch der Rest der Familie Bernhardi seit geraumer Zeit genau observiert
.
Die Angelegenheit ist von solcher Wichtigkeit, dass sowohl die Fürsten als auch der Kaiser zugestimmt haben, eine Organisation zu beauftragen,die mit allen Mitteln versuchen wird, das Bekanntwerden dieser teuflischen Ideen zu verhindern. Die Organisation wird im Geheimen operieren und muss sich nicht an geltendes Recht halten. Falls sich in naher Zukunft kein Erfolg bei der Vernichtung der satanischen Lehre und deren Verbreiter einstellt, werden alle, die mit diesem Bernhardi in Verbindung stehen und standen, einer peinlichen Befragung unterzogen und einem gerechten Urteil zugeführt
.
Ich brauche Euch die Konsequenzen dieser Sachlage nicht vor Augen zu stellen. Ihr wisst selbst, wie Ihr Euch zu verhalten habt. Es hat meines ganzen diplomatischen Geschickes bedurft, um an diese Informationen zu kommen. Jeder, der sich mit dieser Sache beschäftigt, gerät in den Verdacht, darin verwickelt zu sein. Deshalb bitte ich Euch, mich mit diesbezüglichen Anfragen künftig zu verschonen
.
Gegeben zu Speyer, den 5.10.1527
Gezeichnet: Gregor von Schwalbach
Friedrich war bleich geworden, als er den Brief gelesen hatte.
„Nun, was sagst du dazu?“
„Ist das der wahre Grund deiner Ablehnung?“
„Sagen wir mal, es ist kein unwichtiger. Aber einer, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Ich verbiete dir nicht nur das Einheiraten in diese Familie, ich untersage dir auch jeden weiteren Kontakt zu ihr!“
„Dann ist jedes weitere Gespräch überflüssig.“
„Wie ich es dir bereits gesagt habe. Wie wirst du dich entscheiden?“
Statt einer Antwort lief Friedrich aus dem Raum. Eilig packte er seine Sachen zusammen und verließ ohne ein Abschiedswort sein Vaterhaus.
31
Einhard Auerbach runzelte überrascht die Stirn. Vor ihm auf seinem Arbeitstisch lagen Bernhardis Notizen ausgebreitet. Eigentlich war es ihm darum gegangen, mithilfe des neuartigen Sehapparats die Positionen der Gestirne, vor allem die der Wandelsterne, so genau wie möglich zu verfolgen. Daraus, so hoffte er, ließen sich Rückschlüsse ziehen auf die Frage nach dem Zentrum, um das die Himmelskörper kreisten.
Doch Bernhardis Beobachtungen enthüllten nie zuvor beschriebene Aspekte. Iovis, also Jupiter, war seinem Kollegen und Freund nicht wie ein Stern erschienen, sondern wie ein deutliches, unscharfes Scheibchen. Dies würde die schon lange existierende Vermutung stützen, dass die Fixsterne mit viel größerem Abstand als die Wandelsterne um die Erde liefen. Aber dann hatte Bernhardi in seinen Aufzeichnungen immer wieder in unmittelbarer Nähe des Planeten bis zu vier kleine Sternchen entdeckt. Manchmal war nur einer, ein anderes Mal waren zwei oder auch drei zu sehen. Sie schienen den Planeten regelrecht zu begleiten, denn sie folgten – das war Bernhardis sorgfältigen Aufzeichnungen sicher zu entnehmen – nicht dem Lauf der Sterne, sondern dem des Jupiter. Bernhardi hatte sich anscheinend nicht viel dabei gedacht, wohl aber die Bewegungen dieser kleinen Sterne über mehrere Tage akkurat aufgezeichnet.
Wenn es sich bei diesen kleinen Sternchen nicht um echte Sterne handelte, was ja ihre an Jupiter gebundene Bewegung nahelegte, so folgerte Auerbach nachdenklich, dann müsste es sich bei ihnen mit großer Wahrscheinlichkeit um Trabanten des Planeten handeln, die ihn umkreisten. Das wiederum wäre eine sensationelle Entdeckung. Denn dann wäre eine Hauptthesedes Ptolemäus und der meisten alten Philosophen hinfällig geworden: nämlich dass die Erde der Mittelpunkt aller Bewegungen am Firmament sei. Zumindest im Falle des Jupiters wäre der Sachverhalt dann anders. Entweder gab es dann zwei Mittelpunkte – oder gar keinen! Wenn es aber keinen Mittelpunkt aller Bewegungen gäbe, so folgerte der nun hellwache Auerbach, dann würde man die Frage nach der Bedeutung der Erde unter dem Firmament neu stellen müssen.
Dies hätte sofort einsehbare Konsequenzen. Er erinnerte sich, dieses Thema schon früher einmal mit Bernhardi erörtert zu haben. Dann müsste untersucht werden, warum das entscheidende Heilsereignis, die Menschwerdung Gottes, an einem solchen dezentralen oder beliebigen Ort stattgefunden hatte. Würden sich derartige Erkenntnisse überhaupt mit der Heiligen Schrift vereinbaren lassen? Diesen Gedanken schob Auerbach sogleich unwirsch zur Seite. Die Heilige Schrift war doch ein Buch,
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