Das Geheimnis des Himmels
bedroht. Darum ist nicht nur die Kirche, sondern auch der weltliche Arm gefordert. Unsere Aufgabe war es bisher, Rom zurückzuhalten und den Kaiser und die Kurfürsten anzutreiben, dass sie in dieser Sache etwas unternahmen. Voller Genugtuung wage ich zu behaupten, dass wir somit in der Lage sind, den kurfürstlichen Aktivitäten in dieser Angelegenheit zuvorzukommen. Gegen Papst und Kaiser wird er sich nicht stellen können – wie im Falle Luthers. Denn wir können uns auf die Verteidigung aller unserer Werte berufen.
Sollte der Papst aber einen eigenen Weg beschreiten wollen, werden wir ihn im Namen des Kaisers und der Fürsten daran hindern. Nichts kann uns also abhalten, so zu verfahren, wie wir wollen, wenn es uns nur gelingt, diese Verblendung ein für alle Male zu vertilgen.“
Der letzte Redner ließ nicht nach. „Und wie wollen wir vorgehen, wenn Kurfürst Johann oder die Universität zu Wittenberg von Bernhardis Ansinnen erfahren und dass er ihnen durch uns entzogen wurde?“
„Ein Hinweis auf das Wirken der großen Hüterin wird genügen.“
Es meldeten sich keine weiteren Mitglieder zu Wort.
„So kommen wir zum letzten Akt. Bernhardi wird gefangen genommen, dann wenden wir die erprobten Mittel an, um seine Mitwisser in Erfahrung zu bringen. Graf Hohenstein hat uns dazu seine Burg zur Verfügung gestellt. Diesen Ort wird Bernhardi nicht mehr lebend verlassen.“
„Wie verfahren wir mit seiner Familie?“, meldete sich ein Mitglied der großen Hüterin zu Wort.
„Alles Weiber, das walte der Teufel! Aber wir wollen uns ja nicht mit der Inquisition vergleichen … obwohl man, das muss ich zugeben, von ihr einiges lernen kann. Wir werden sie außer Landes bringen und ihnen deutlich machen: Sobald sie etwas über dieses Teufelsgerät in Umlauf bringen, wird man sie selbst der Hexerei bezichtigen. Das dürfte genügen. Wir brauchen uns nicht die Hände schmutzig zu machen. Ich komme jetzt zur Ausführung unserer Pläne …“
Nach einer weiteren guten Stunde verließ der Rat der großen Hüterin durch eine Nebentür unauffällig das Haus.
33
Langsam machte sich seine Erschöpfung auch körperlich bemerkbar. Friedrich von der Aue war seit Tagen nicht mehr zur Ruhe gekommen. Die lange Reise nach Frankfurt und zurück hatte er größtenteils ohne Schlaf zugebracht. Nach seiner Rückkehr in die Universitätsstadt wollte er sich zunächst etwas ausruhen, um dann die nötigen Entscheidungen zu treffen. Aber selbst diese Ruhe war ihm nicht vergönnt.
Die Ursache dafür war der Besitzer des Hauses, in dem sein Vater für ihn ein Studentenzimmer ausgesucht hatte. Otto Meinhard war ein guter und langjähriger Freund seines Vaters. Friedrich hatte zu ihm immer ein gutes Verhältnis gehabt, denn er ließ ihm alle Freiheiten. Aber nun trat er Friedrich in den Weg.
„Guten Abend, Herr von der Aue.“
„Nanu, warum so förmlich?“
Ohne auf seine Frage einzugehen, sprach Meinhard weiter. „Wie war Euer Besuch zu Hause in Frankfurt?“
„Ja, darüber werde ich noch mit Euch zu sprechen haben. Der Besuch verlief bedauerlicherweise sehr unglücklich. Ich muss damit rechnen, dass mein Vater meine Unterstützung einstellt, und das betrifft wohl auch den Betrag, den er für meine Unterbringung an Euch erstattet.“
Meinhard runzelte die Stirn und redete weiter: „Tja, Euer Vater hatte mich schon vor Eurer Abreise nach Frankfurt von seinen Absichten unterrichtet. Es geht mich ja nichts an, aber ich vermute, dass ihm Eure Beziehung zur Tochter der Bernhardis ein Dorn im Auge ist. Er hatte mir geschrieben, dass er seine Unterstützung einstellen wird, falls Ihr Euch ihm widersetzen würdet. In dem Falle bat er mich, Euch aus meinem Haus zu weisen.“
Friedrich hatte gedacht, am Ende der Finsternis angekommenzu sein. Aber darin sah er sich nun getäuscht. Sein Vater hatte ganze Arbeit geleistet.
„Und was gedenkt Ihr nun zu tun? Werdet Ihr Euch seinen Anweisungen unterwerfen?“
Friedrich war zwar müde, aber er konnte nicht umhin, seine Worte so zu wählen, dass der ganze Despotismus seines Vaters deutlich zum Ausdruck kam. Der versteckte Appell an Meinhard, sich Friedrichs Vater nicht zu unterwerfen, blieb jedoch ungehört.
Otto Meinhards Stimme klang nun schroffer: „Ich unterwerfe mich niemandem, außer dem Herrgott und dem Kaiser. Euer Vater und ich sind jahrelang gemeinsam durch dick und dünn gegangen. Uns verbindet viel. Keiner hat dem anderen etwas vorzuschreiben. Und wir respektieren unsere
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