Das Geheimnis Des Kalligraphen
Mädchen. Als sie an jenem Tag in die Pistazienrolle biss, ihre Lippen leckte und ihn mit halb geschlossenen Augen schräg anschaute, verlor er die Kontrolle und den Verstand.
Er schwängerte sie.
Seine Brüder und sein Mitarbeiter Taufiq waren außer sich, und er hätte die Sache gerne mit Geld geregelt, aber Almas’ Vater war ein Hitzkopf. Entweder heirate Nassri das Mädchen oder er leere seine doppelläufige Schrotflinte zweimal, einmal in Nassris Mund und anschließend in den eigenen. Lieber sterben als eine derartige Schmach schlucken, sagte er und ließ sich weder durch Zureden noch durch Erpressung davon abbringen.
Taufiq, Nassris Geschäftsführer, war der erste, der einlenkte. Lieber Almas heiraten und den Clan mit ihren Kindern stärken als einen Skandal mit unbestimmtem Ausgang entfesseln. Die schlechteste Ehefrau sei besser als die edelste Hure, denn dort vergeude man nicht nur sein Geld, sondern vor allem seinen Samen.
»Immerhin bin ich in diesem Punkt besser als meine Brüder«, sagte Nassri gequält. »Ich werde den Abbani-Clan vervierfachen. Ich bin ein echter Damaszener Zuchtbulle«, rief er in Erinnerung an die Damaszener Internationale Messe vom vergangenen Herbst, wo er im niederländischen Haus der Industrie und Landwirtschaft zum ersten Mal in seinem Leben einem grässlichen Zuchtbullen gegenüberstand, der laut Information mehr als dreitausend Mal Vater geworden war.
Also gab Nassri nach und heiratete im März Almas. Er fühlte eine starke Liebe zu ihr, die ihn verjüngte. Seine drei anderen Frauen dagegen machten ihn älter mit ihrem Kummer und ihrer Nörgelei.
Nach der Hochzeitsfeier flog Nassri mit Almas nach Kairo, und da war es richtig um sein Herz geschehen. Diese junge Frau, die außer ihrem bäuerlichen Elternhaus am Rand von Damaskus nichts von der Welt gesehen hatte, erwies sich, geschminkt und in schönen Kleidern, als eine Dame von Welt, die die Männer in den Hotels und auf den Schiffen bei den Nilfahrten anherrschte, dass sie nur noch für sie rannten. Alle wollten Almas dienen. Nassri verschlug es die Sprache. Im Bett aber, kurz nach dem schönsten Augenblick, wenn er erschöpft und von Glück trunken neben ihr schlummerte, führte sie etwas auf, das er lange nicht verstand und erst später als eine Mischung aus krankhafter Eifersucht und ausgeprägter Herrschsucht erkannte. Sie drängte ihn zu Aussagen gegen seine anderen drei Frauen und wollte ständig das Versprechen hören, dass sie die uneingeschränkte Nummer eins und die Herrin seines Herzens sei und dass er nur mit ihrer Zustimmung zu den anderen drei Frauen gehen dürfe.
Er konnte und wollte ihr das Versprechen nicht geben, war aber zu Kompromissen bereit. So kam er ihrem Wunsch, aus vierzehn Tagen Urlaub einen Monat zu machen, nach, aber in Sachen Herrschaft verstand er keinen Spaß. Im Haus Abbani, sagte er, herrsche immer einMann. Trotzdem solle sie sich darüber freuen, dass sie seine Lieblingsfrau sei, mehr könne sie nicht verlangen.
Er teilte Taufiq telefonisch mit, er habe ägyptisches Fieber bekommen und müsse sich in einem Sanatorium am Roten Meer kurieren. Taufiq solle die Frauen mit allem versorgen, was ihre Herzen begehrten.
Mit der Verlängerung des Urlaubs war das Problem keinesfalls aus der Welt. Denn Almas nervte ihn weiterhin mit ihrer Eifersucht, und wenn Nassri zu irgendeiner Frau, einer Bedienung oder einer Straßenverkäuferin, ein freundliches Wort sagte, veranstaltete sie ein Theater. Alle Frauen schienen nach ihrer Vorstellung nur ein Ziel zu haben, nämlich ihr Glück mit Nassri zu zerstören.
Nach der Rückkehr zogen sie in ein herrschaftlich eingerichtetes Haus in der vornehmen Bagdader Straße, doch Almas jammerte bereits in der ersten Nacht, alles sei so kalt und so europäisch. Sie wolle einen Springbrunnen und einen Garten mit Orangen und Zitronen, Jasmin und Weinreben, Blumenrabatten und Kräuterbeeten. Nur so könne sie leben, nicht aber in diesem abweisenden Gebäude.
Und dann nahm Almas durch die Schwangerschaft auf unheimliche Weise zu. Wahrscheinlich waren die Unmengen an Kuchen und süßen Speisen schuld, die sie in sich hineinstopfte, und die vielen gefüllten Teigtaschen, die ihre Mutter ihr wöchentlich zukommen ließ, als würde ihre Tochter von einer Hungersnot bedroht.
Nassri wusste, wie eine Schwangerschaft die Frauen verändern kann. Nur seiner ersten Frau Lamia hatte man bis auf die letzten Wochen nichts angemerkt. Seine zweite Frau Saide wurde etwas dicker
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