Das Geheimnis Des Kalligraphen
heilig, sondern weil du langweilig bist.«
Salman lachte vor sich hin, wollte den Witz aber nicht erzählen, weil alle Mitarbeiter Muslime waren. Zum Glück war es schon Zeit, die Matbakia für Meister Hamid zu holen und vor allem Nura zu treffen.
Als Salman das Essen ins Atelier brachte, war Hamid, der mit einem reichen Kunden weggegangen war, noch nicht zurück. Er stellte die Matbakia ab und ging zu Karam. Salman fühlte zum ersten Mal ein unbeschreibliches Glück und verstand nun, was Sarah mit dem paradiesischen »Geliebt-Werden« gemeint hatte. Er wollte auf dem Weg zum Café am liebsten alle Passanten umarmen.
Karam schien ein Fieber erfasst zu haben. Jeden Tag wollte er mehr über die Kalligraphieschule wissen. Das nervte Salman, weil er auch nicht mehr zu erzählen wusste, als dass die Schule im Mai ihre Tore öffnen sollte. Es werde eine große Feier Anfang März mit den bekanntesten Persönlichkeiten aus Politik und Kultur geben, große Spenden aus dem ganzen Land kämen bereits und mit dem Überschuss solle eine zweite Schule in Aleppo gegründet werden. Das Ganze stärke irgendeinen Bund, dem Hamid nahestehe, und schwäche einen anderen.
Mehr gab es nicht zu erzählen, weil der Meister nur sehr vage darüber sprach. Aber Karam bohrte weiter, weil er geheime Pläne hinter der Schule vermutete.
»Geheime Pläne? Du spinnst wohl. Du redest langsam wie Badri, der hinter jeder Wetterveränderung eine jüdische Verschwörung vermutet. Es gibt keine geheimen Pläne. Hamid will nichts anders als seinen Namen verewigen!«
Karams Gesichtsausdruck wurde angespannt. Er schwieg.
Im Gegensatz zu Karam war Hamid nun bester Stimmung. Noch nie hatte Salman seinen Meister so fröhlich und freundlich wie in dieser Zeit erlebt. Er arbeitete für zwei. Er führte alle Aufträge präzise aus wie immer und telefonierte zudem stundenlang wegen der Schule, der notwendigen Genehmigungen, der Möbel, der Werbung in der Presse und anderen Dingen, die vor der Eröffnung erledigt werden mussten. Manchmal blieb er bis Mitternacht im Atelier, schickte aber alle Mitarbeiter immer kurz nach siebzehn Uhr nach Hause.
26.
S alman hatte an diesem Morgen die Aufgabe, selbständig den Schatten für einen großen Spruch zu zeichnen, den Samad angefertigt hatte. Es war die erste verantwortungsvolle Arbeit, die er machen sollte. Deshalb hörte er dem Gespräch, das der Meister am Telefon führte, nicht zu.
»Salman«, erschreckte ihn sein Meister mitten in der Arbeit, »du bringst meiner Frau den Korb mit Nüssen vom Gemüsehändler Adel und dann holst du auf dem Weg zu ihr die Gewürze, die ich bei Halabis bestellt habe. Sag ihr, dass ich mit dem Kultusminister zu Mittag esse und sie deshalb nichts zu schicken braucht«, sprach er so laut, als wollte er alle seine Mitarbeiter informieren. Salman wunderte sich, weil sein Meister all das seiner Frau am Telefon hätte sagen können. Und in der Tat rief er später seine Frau an, wiederholte alles noch einmal und sagte ihr, sie solle abends zu ihren Eltern gehen. Er hole sie dort ab, wenn er vom Ministerium zurückkomme, wo er an einer wichtigen Sitzung mit Experten teilnehmen werde.
Kurz nach zehn Uhr war Salman mit seiner Aufgabe fertig und Samad lobte seine saubere Arbeit. Da er wusste, dass der Meister nicht mehr zurückkommen würde, schickte er Salman nach Hause.
»Du erledigst den Auftrag mit den Nüssen und den anderen Dingen und genießt den Nachmittag zu Hause. Es reicht für heute. Morgen früh bist du frisch und pünktlich wieder hier, dann ist er auch zufrieden«, sagte Samad freundlich zu ihm. Er selbst hatte noch bis zum späten Nachmittag zu tun und wollte dann auch nach Hause gehen.
Salman ließ das Fahrrad stehen und ging lieber zu Fuß zu Nura. Er balancierte den großen schweren Korb auf dem Kopf und bahnte sich mühselig den Weg zwischen Passanten, Karren und Eseln hindurch, die alle an diesem Tag schwerhörig und lahmfüßig waren und es nur darauf abgesehen hatten, ihm im Weg zu stehen.
Nura küsste seine Augen: »Du hast nicht nur herrliche Ohren, sondern auch die schönsten Augen, die ich je gesehen habe. Sie sind rundund klug wie die der Katzen«, sagte sie, als er gerade dabei war ihre Nasenspitze zu liebkosen.
Noch Jahre später dachte er daran, dass Nura die erste Frau in seinem Leben war, die überhaupt etwas Schönes an ihm fand. Sarah mochte ihn, aber sie hatte mit keinem Wort seine Augen gelobt. Sie waren tatsächlich schön, wie er
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