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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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ohnehin nicht in Frage.
    Rauchen durfte Nassri auch nicht und seinen Arrak musste er heimlich aus der Flasche trinken, ohne Wasser und ohne Eiswürfel. Es war ein Elend.
    Die Tage und Wochen verloren ihr Gesicht. Irgendwann wachte Nassri nach einem Alptraum auf und eilte hinaus in die noch kühle Nacht. Er lief, als würde sein Onkel ihn verfolgen. Erst auf der Landstraße, als er die Lichter eines Busses erblickte, der Richtung Damaskus fuhr, kam er zur Ruhe. Nassri winkte, der Bus hielt an, er stieg ein und setzte sich. Der Bus war fast leer. Einige Bauern auf dem Weg zum Markt in Damaskus hatten ihr Gemüse und ihre Hühner aufgeladen.
    Bald fiel er in einen tiefen Schlaf. Er wachte erst auf, als der Bus am Rand der Stadt stark bremste, um eine kleine Schafherde über die Straße gehen zu lassen. Der Schäfer schimpfte auf den Leithammel, der mitten auf der Straße stand und die erwachende Stadt anblökte.
    »Auch ein Hammel verliebt sich in Damaskus«, sagte Nassri zu seinem Nachbarn.
    Nach drei Tagen in Damaskus würden die Schafe nur noch Backgammon spielen und Arrak trinken. »Deshalb werden die Viecher schnell geschlachtet. Wer entkommt, wird Bürger der Stadt«, erwiderte der Mann, als der Stock des Schäfers auf dem Schädel des Hammels landete.
    Der Himmel über Damaskus hellte sich bereits auf.
    Nassri schlich in sein Büro und rief Taufiq an. »Wohin willst du gehen?«, fragte sein Vertrauter. Seine Stimme klang müde.
    »Zu meiner Hure. Dort vermutet mich keiner«, sagte Nassri.
    »Kein schlechter Gedanke, aber pass auf dich auf und geh nicht bei Tag aus dem Haus«, warnte Taufiq.
    Auf dem Weg zu Asmahan fragte er sich, warum er seine Ehefrauen alle so hässlich fand. Er war sicher, dass jede auf ihre Art schön war, aber nicht mehr für ihn. Warum werden die Menschen hässlich, die wir nicht mehr lieben. Für ihn war Asmahan bildhübsch und anziehend, sein Mitarbeiter dagegen fand sie grässlich. Also, folgerte Nassri, kurz vor Asmahans Straße, liebte er Asmahan. Wahrscheinlich, weil sie nicht ihm gehörte. Sie gehörte wie die Wüste allen und niemandem. Vom Bürgersteig gegenüber Asmahans Haus sah er einen eleganten alten Freier das kleine Haus verlassen. Er überquerte schnell die Straße und drückte auf die Klingel.
     
    40.
     
    A smahan hörte von der Flucht der schönen Frau des Kalligraphen. Nassris Rolle wurde von Woche zu Woche undurchsichtiger. Er aber war verschwunden. Plötzlich stand er vor ihr. Er musste ihr Haus eine Weile beobachtet haben, denn nur einen Augenblick nachdem der alte Juwelier Habib die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, klingelte es. Sie dachte, der betagte Mann habe Tabletten, Brille oder Spazierstockvergessen, denn immer vergaß er etwas, und sie hatte den Verdacht, er tat das absichtlich, um sie noch einmal – kostenlos – in den Arm nehmen zu können. Habib war ein Geizkragen. Sie öffnete lachend die Tür. Da stand Nassri, blass im Gesicht.
    »Lass mich bitte rein, ein Verrückter will mich umbringen«, sagte er atemlos. Sie ließ ihn herein und hatte für einen Moment sogar etwas wie Mitleid mit ihm. Nassri brachte sofort sein Problem zur Sprache. Er wollte sich für eine Zeit bei ihr im ersten Stock, den kein Freier betreten durfte, verstecken. Der Kalligraph, so Nassri, habe inzwischen Killer angeheuert. »Und wenn sie dich finden«, sagte Asmahan, »werden sie auch mich umbringen. Ich will wenigstens wissen wofür! Hat der Kalligraph auch die Liebesbriefe geschrieben, die du mir gegeben hast? Hast du nicht ein einziges Wort für mich gefunden? Hast du ihn dafür bezahlt, deine Liebe auszudrücken?«
    In ihrer Aufregung holte sie ein Stück Papier und legte es mit dramatischer Geste vor ihn hin. »Schreib mir hier einen kurzen Brief«, sagte sie. Nassri war aufgebracht, er tobte und führte sich auf wie toll. Aber es nützte nichts. Sie wusste nun, dass er sie belogen hatte. Ihr Mitleid schlug um in tiefe Verachtung.
    Da klingelte es. Asmahan lächelte, denn sie wusste genau, wie sie ihn für immer loswerden konnte. Eine alte Geschichte, die ihr einst eine Schulkameradin erzählt hatte, hatte sie auf den Gedanken gebracht, wie sie eitle Männer demütigen konnte.
    »Du musst dich verstecken, schnell.« Sie schubste ihn in eine enge Kammer, in der er sich auf einem Hocker zwischen Putzeimer und Besen niedersetzen konnte. Was war das für ein Leben? Eben noch gehörte er zu den angesehenen Bürgern der Stadt, nun musste er sich zwischen all diesem Gerümpel

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