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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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vor der Welt verstecken!
    Und während er noch sein Schicksal beklagte, hörte er Asmahan lachen. Die Kammer war nur durch eine dünne Holzwand von ihrem Schlafzimmer getrennt. Er musste mit anhören, wie Asmahan und der Unbekannte sich liebten und offenbar großen Gefallen aneinander hatten. Als die Liebesgeräusche endlich vorüber waren, hörte er, dass die beiden über ihn sprachen. Der Mann erzählte ausführlich, welche Gerüchte über Nassri und Nura zurzeit in Damaskus kursierten.Nassri platzte fast, und sein Herz wollte ihm vor Scham aus der Brust springen.
    »Dieses Schwein zahlt für Briefe«, rief der Mann aus, »damit er Frauen verführen kann, und seine Frauen werden täglich von irgendwelchen Nachbarn verführt, ganz ohne Briefe.«
    »Ist das wahr?«, fragte Asmahan. »Und, hast du dich auch an die Frauen herangemacht?«
    »Nein«, kam aus dem Bett zurück, »aber ein Freund von mir hat Nassris Frauen alle durch.«
    Nassri stand kurz vor einer Explosion. Er hätte Asmahan am liebsten den Hals umgedreht, doch was er nun erlebte, verschlug ihm den Atem.
    Denn langsam begriff er, dass der Freier ein hohes Tier des Geheimdienstes sein musste. Er neigte, wie alle Männer seines Schlages, zur Angeberei, aber er war erstaunlich gut informiert.
    »Inzwischen machen sogar meine Männer Jagd auf Nassri!« »Warum denn das? Hat er denn auch ihre Frauen unter sich gehabt?«
    Der Mann lachte. »Nein, das nicht, aber der Kalligraph ist hinter ihm her. Und da Geheimdienstler in einer Demokratie nicht mehr viel zu tun haben, nehmen sie gerne solche Privataufträge an. Und ich verdiene immer ein bisschen mit, ohne mir die Hände schmutzig machen zu müssen.
    Was soll man tun? Ich sehne mich nach der Zeit der starken Regierungen, die man verleumderisch Diktatur nennt. Meine Männer waren ausgelastet.«
    »Und nun haben sie den Auftrag, Nassri Abbani zu suchen und zu ermorden?«, fragte Asmahan.
    »Nein, nur suchen, die Ermordung will sich der Kalligraph selbst vorbehalten. Es ist seine Ehre, die in den Schmutz gezogen wurde. Meine Männer können schnüffeln, so viel sie wollen, aber sie dürfen nie Hand anlegen. Mischt sich einer mehr ein, als ich erlaube, wird er sofort entlassen. Gründe für die Entlassung der ganzen Armee habe ich in meinen Schubladen.« Der Mann lachte so laut über seinen Witz, dass Nassri die Ohren schmerzten.
    »Und was bekommt derjenige, der Nassris Versteck verrät?«
    »Es sollen zwanzig- bis fünfundzwanzigtausend Lira sein. Der Kalligraph hat es eilig und ist sehr reich.«
    Nassri saß in der Falle. Er wurde von Todesangst erfasst, je länger er zuhörte. Wie konnte dieser dahergelaufene Schriftenmaler, dessen Schule er unterstützt hatte, nach seinem Leben trachten? Und wie war es gekommen, dass Asmahan ihn plötzlich in der Hand hatte und durch eine einzige Bemerkung um sehr viel reicher sein könnte? Was war nur mit seinem Leben los?
    Irgendwann wurde es still im Zimmer nebenan, und nach einer weiteren Ewigkeit öffnete Asmahan die Kammer. Sie war verweint und betrunken. »Scher dich auf der Stelle zum Teufel, bevor ich schwach werde und den Kalligraphen anrufe.«
    Nassri war dem Heulen nahe: »Lass mich dir etwas erklären«, flehte er sie an.
    »Scher dich zum Teufel«, schrie sie und zeigte auf die angelehnte Haustür.
     
    Nassri ging von Asmahans Haus in das nächstgelegene Hotel »al Amir«, rief Taufiq zu sich, erzählte ihm, was bei Asmahan vorgefallen war, und beriet mit ihm, wo er sich verstecken könnte.
    Taufiq legte ihm nahe, nach Beirut umzusiedeln, doch Nassri hasste Beirut. Er vertrug das Meer und auch die libanesische Lebensart nicht.
    »Dann bleibt uns nur die Wohnung meiner verstorbenen Schwester«, sagte Taufiq, der von einigen Pförtnern der Häuser, die Nassri besaß, gehört hatte, dass Fremde ihnen Geld zusteckten und fragten, ob der Besitzer in irgendeiner seiner leerstehenden Wohnungen versteckt sei. »Sie ist bescheiden, aber bequem eingerichtet und soll verkauft werden«, fuhr Taufiq fort, »das kann ein paar Monate warten, bis wir diese Krise hinter uns gebracht haben. Sie liegt auch anonym in einem modernen vierstöckigen Gebäude mit sechzehn ähnlichen Wohnungen, deren Mieter oder Besitzer dauernd wechseln. Das wahre Niemandsland!«, sagte Taufiq und stand auf. »Übrigens, das Gebäude hat zwei Ausgänge zu zwei verschiedenen Straßen. Ich hole das Auto«, sagte er dann und ging zur Zimmertür. Er drehte sich um. »Sei vorsichtig«,sagte er mit

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