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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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väterlichem, fast zärtlichem Ton und machte sich auf den Weg. Nach einer Viertelstunde sah Nassri aus dem Hotelfenster, wie Taufiq seinen Citroën vor dem Hoteleingang parkte. Nassri zahlte das Zimmer und getarnt mit einer Sonnenbrille schlüpfte er ins Auto.
    Die Wohnung lag im dritten Stock eines modernen Gebäudes nahe dem Berg Qassiun. Vom Balkon aus überblickte Nassri einen kleinen staubigen Platz und die Hauptstraße des Viertels, die bergab in das Zentrum der Stadt führte. Von hier aus hatte er einen herrlichen Blick über Damaskus.
    »Hier kann ich ewig ausharren«, sagte er zu Taufiq, bevor dieser die Wohnung verließ. Nassri fühlte Dankbarkeit gegenüber diesem Menschen, der die Wohnung anscheinend am selben Tag hatte putzen und den Kühlschrank mit Leckereien füllen lassen. Auch Zucker, Mokka, Kardamom, Tee und andere Dinge fand Nassri in der Küche. Dazu ein Zettel: »Ruf mich an, wenn du etwas brauchst.«
    Nassri rief nur zwei Stunden später tatsächlich an, bedankte sich und fragte Taufiq, ob er den Apotheker Elias Aschkar in die Wohnung bringen könnte, da er ihn vermisse. Er sei ein zuverlässiger Freund und ein äußerst zivilisierter Mensch.
    Taufiq war nicht begeistert. »Er ist Christ«, gab er zu Bedenken.
    »Und wenn schon«, sagte Nassri und fühlte auf einmal Wut gegenüber diesem Mitarbeiter, dem er dankbar sein wollte, »er kann Jude oder auch Feueranbeter sein. Er ist anständig wie du und ich«, fügte er hinzu und dachte, dass der fromme Taufiq sicher nicht begeistert von diesem Vergleich war.
    »Wie du wünschst. Ich bringe ihn morgen Abend zu dir«, sagte Taufiq. Seine Worte waren eingezwängt in ein Korsett von Höflichkeit und Trauer.
    »Und sag ihm, er soll eine Flasche Löwenmilch mitbringen«, fügte Nassri hinzu, weil er wusste, dass sich Taufiq bei allem Gehorsam weigern würde, Arrak, im Spaß Löwenmilch genannt, auch nur zu kaufen.
    Abends kamen die beiden Besucher. Taufiq, sichtlich nervös, verabschiedete sich schnell und fuhr wieder nach Hause. Elias Aschkarfühlte sich geehrt, seinen langjährigen Freund im Versteck besuchen zu dürfen, und drückte Nassri mit Tränen der Rührung in den Augen fest an sich. »Ich vermisse den morgendlichen Mokka mit dir«, sagte er bewegt.
    Elias bestätigte nur, was Nassri längst wusste, dass der Kalligraph keine Mühe oder Kosten scheute, um ihn zu fassen.
    »Und warum lässt du ihn nicht umbringen? Es gibt so viele arbeitslose Kriminelle, die für hundert Lira jeden umlegen. Dann hast du deine Ruhe«, sagte Elias, als beide bereits betrunken waren. Die Arrakflasche war fast leer.
    »Nein, das macht man nicht. Ihm ist die Frau weggelaufen, die Kalligraphieschule ist zertrümmert, das Atelier hat er geschlossen – und dann soll er auch noch sterben.« Nassri schüttelte den Kopf. »Er ist ein armer Teufel und wird bald herausfinden, dass ich mit der Sache nichts zu tun habe. Taufiq geht übermorgen zu ihm und versucht ihn zur Vernunft zu bringen. Der Goldschmied Nagib Rihan vermittelt das Treffen.«
    Nassri hatte gegenüber dem Kalligraphen immer noch ein Gefühl der Dankbarkeit, und als der Arrak die letzten Reste der Angst weggewischt hatte, erzählte er dem Apotheker, welche Wirkung Hamids Briefe auf Huren und Präsidenten hatten.
    Als der Apotheker auf die Toilette ging, warf Nassri einen Blick auf die Zeitung, die ihm sein Freund mitgebracht hatte. Er sah eine Anzeige: »Modenschau. Pariser Modells zeigen die Winterkollektion 56/57 des Pariser Modehauses Carven im Hotel Samir Amis.« Er lächelte in Erinnerung an die Modenschau des letzten Jahres im selben Hotel, veranstaltet vom selben Modehaus Carven aus Paris. Es sah aus, wie wenn die Zeitung ein Jahr alt wäre.
    Es war spät, als der Apotheker das Haus verließ. Er schaute sich im Schatten des Eingangs erst lange um, bevor er auf die von Laternen beleuchtete Straße torkelte.
    Drei Tage später kam Taufiq mit der Nachricht, dass der Kalligraph nun vollends verrückt geworden sei. Verfolgungswahn. Obwohl er die Vermittlung des Goldschmieds abgelehnt habe, sei er, Taufiq, zu ihm gegangen, und Hamid Farsi habe ihm allen Ernstes erzählt, Nassri seiDrahtzieher einer Verschwörung gewesen, die ihn in der Öffentlichkeit blamieren sollte, weil er, Hamid Farsi, revolutionäre Reformen der Schrift durchsetzen wollte. Es gehe nicht um Nura, sondern lediglich um seine Demütigung, und dafür werde er Nassri töten.
    Nassri tobte, der Apotheker habe recht, dieser Kalligraph sei

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