Das Geheimnis Des Kalligraphen
Tanzlokalen zur Belustigung der Gäste ausübte, zu einer großen Kunst auf der Theaterbühne gemacht. Er hatte ein Ensemble gegründet und seine eigenen und viele aus dem Französischen übersetzte Stücke aufgeführt. Er hatte als erster moderner Theatermann Syriens Brandanschläge, Demütigungen, Morddrohungen und Verfolgung erdulden müssen. Sein ganzes Geld steckte er in sein geliebtes Theater, das der Pöbel, angeheizt von den Fanatikern, in Brand steckte. Das Theaterspiel war noch dreißig Jahre später verpönt, und bis 1930 verbot der Mufti von Damaskus den Männern und vor allem den Frauen das Schauspiel, weshalb die wenigen Sänger und Schauspieler, die überhaupt noch auftraten, Christen und Juden waren.
Ahmad Abu Chalil Abbani musste sich verstecken, bis er endlich mit seinem Ensemble in Kairo Unterschlupf fand, wo er wieder ein Theater gründete und eine Generation von ägyptischen, syrischen und libanesischen Schauspielern ausbildete. Aber auch dort wurde sein Theater im Jahre 1900 angesteckt. Er kehrte verbittert nach Damaskus zurück und starb 1903 an gebrochenem Herzen.
Nassri weinte in seinem Versteck, als er sich an das Bild seines Großonkels erinnerte. Es hing, neben vielen anderen Bildern, im Salon seines Vaters. Diese unendliche Traurigkeit seiner Augen schnitt ihm ins Herz.
Die ersten zwei Wochen auf der Flucht lebte Nassri bei seiner ersten Frau Lamia. Aber als im Viertel die ersten Gerüchte über seinen Verbleib aufkamen, hatten die Nachbarinnen Lamia geraten, ihn wegzuschicken. Er sollte wegen seiner Hurerei nicht auch noch die Kinder gefährden.
Lamia wurde blass, weinte oft in der Nacht und zuckte bei jedem Geräusch erschrocken zusammen. Es war die Hölle.
Er ging aber erst, als seine Kinder ihm ihre auswendig gelernte Bitte, sie zu schonen und endlich zu gehen, im Chor entgegenheulten. Er verfluchte Lamia und seinen Vater, der ihm diese Ehe aufgezwungen hatte, und fuhr in der Nacht zu seiner dritten Frau Nasime, weil er wusste, dass das Haus seiner zweiten Frau Saide voller Gäste war. Ihre ganze Familie war aus dem Süden zu Besuch gekommen, und wenn sie kamen, ließen sie aus lauter Liebe zu Saide keinen Angehörigen zu Hause zurück.
Nasime, seine dritte Frau, die früher eine so süße Zunge besaß, dass er für Augenblicke ihre Hässlichkeit vergessen konnte, ergriff nun die gute Gelegenheit, mit ihm abzurechnen. Sie hielt ihm täglich ihr vergeudetes Leben und ihr versäumtes Architekturstudium und die Häuser vor, die sie hätte bauen wollen. Nach sieben Tagen hielt er es nicht mehr aus und schlug sie. Sie schrie so laut, dass die Nachbarn kamen, weil sie dachten, Nasime wäre überfallen worden. Sie schickte die Nachbarn zurück, ohne ihn zu verraten, befahl ihm aber, auf der Stelle das Haus zu verlassen. Nassri wollte sich gleich bei seiner Frau entschuldigen und für die Tapferkeit bedanken, denn er hatte in seinem Versteck alles gehört, aber Nasime ließ ihm keine Wahl. »Du verlässt mein Haus innerhalb von drei Stunden oder ich kenne dich nicht mehr«, rief sie weinend. In ihrer Familie – das hatte sie ihm früher immer wieder stolz erzählt – hatte nie ein Mann seine Hand gegen eine Frau erhoben.
Er rief Saide, seine zweite Frau, an, die sich freute, dass er zu ihr komme, sie habe große Sehnsucht nach ihm, nachdem die Verwandten abgereist waren.
Sie empfing ihn mit einem üppig gedeckten Tisch und einer langen Liebesnacht. Sie habe schon immer gewusst, stichelte sie, dass Nasimekeine Frau, sondern ein Mann sei, nur Männer würden sich für solche Hirngespinste wie Häuserbau interessieren. Lamia wiederum sei immer etwas hysterisch gewesen. Bei ihr dagegen könne er ewig versteckt bleiben, damit sie ihn jede Nacht genießen könne. Sie habe gar keine Angst. Nassri bewunderte sie zum ersten Mal in seinem Leben und fand sie von Tag zu Tag anziehender.
Da das Haus im neuen Stadtteil Salihije lag, konnte er sich nachts, wenn Saide schlafen ging, in den Nachtlokalen herumtreiben.
Das ging wochenlang gut. Aber Saide war nicht mutig, wie er vermutet hatte, sie nahm nur die Gefahr nicht ernst, in der Nassri schwebte, und erzählte anscheinend jedem, dass er bei ihr versteckt war. Und so pilgerten ihre Verwandten und Freunde herbei, um ihn zu sehen, und Nassri fühlte sich bald angegafft wie ein Affe im Käfig.
Das war ziemlich ärgerlich.
Was ihn jedoch bewog, das Haus hastig und ohne Abschied zu verlassen, war ein Anruf von Taufiq, der im Café erfahren
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