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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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harten Schlägen ins Gesicht verriet der bereits in dieJahre gekommene und zittrige Verbrecher den Namen seines Auftraggebers.
    Die Anklage lautete: Anstiftung zum Mord.
    Die Familie Abbani war froh, mit einem Dokument davonzukommen, das sie unterschreiben mussten. Am nächsten Tag erst erklärte ihnen ihr Rechtsanwalt, was sie in ihrer Angst vor Strafe und Skandal unterschrieben hatten. Ihr Entsetzen war grenzenlos. Sie, die Unterzeichner, nahmen die Verantwortung auf sich, für den Fall, dass Hamid Farsi, dem Mörder ihres Bruders, etwas Böses zustoßen sollte.

 
    Der zweite Kern der Wahrheit
     
    Die anderen lesen, um zu studieren,
    während wir studieren müssen,
    um lesen zu können.
     
    Taha Hussein
    (1882 – 1973)
    Ägyptischer Schriftsteller
     
    Die Wahrheit ist ein Juwel. Sie macht das Leben
    ihres Besitzers reich, aber gefährlich.
     
    Josef S. Fadeli
    (1803 – 1830)
    Syrischer Alchimist

 
    1.
     
    E rst im Gefängnis kam Hamid Farsi dazu, über sein Leben nachzudenken, das ihm nun fremd und fern schien. Er fühlte Erleichterung, dass er in dieser Zelle gelandet war. Aber genau dieses Gefühl befremdete ihn. »Lebenslänglich in einer Gefängniszelle«, wiederholte er, um sich seine Katastrophe so dramatisch wie möglich darzustellen, aber er konnte nichts Dramatisches daran finden.
     
    Auf seiner Pritsche liegend staunte er, wie schnell alles, was er mühselig aufgebaut hatte, verfallen war. Sein Ruf als Mann, sein Ruhm als Kalligraph, seine Sicherheiten und seine Lebenslust waren dahin, als wären sie nicht bis vor kurzem uneinnehmbare Burgen gewesen.
    Am Nachmittag, beim Tee mit Direktor al Azm, sagte er beiläufig, als spräche er zu sich selbst: »Das Leben ist ein einziger Kampf gegen Verfall und Verwahrlosung. Und wir sind am Ende immer die Verlierer. «
    Nuras Flucht hatte seinen Verfall eingeleitet. Warum sie nicht mit Nassri geflüchtet war, sondern ihm den Hurenbock zurückgelassen hatte, war ihm nicht klar. Als wollte sie, dass er Nassri umbrachte, als sollte Nassri für etwas büßen. Vielleicht hatte Nassri ihr ja verschwiegen, dass er vierfach verheiratet war, und sie damit böse überrascht, nachdem er mit ihr geschlafen hatte.
    Wollte sie Nassri vielleicht eine Lektion erteilen? Hatte sie ihn,Hamid, unterschätzt? Dachte sie vielleicht, er, Hamid, würde Nassri ein paar Ohrfeigen geben und ihn damit der Lächerlichkeit preisgeben. Oder hatte sie sich gewünscht, dass Nassri ihn tötet? Hamid hatte Frauen noch nie verstanden. Sein Großvater hatte einmal den klaren Sternenhimmel über Damaskus angeschaut und ihm gesagt, erst wenn er alle Sterne gezählt hätte, würde er Frauen verstehen können.
     
    Das Zitadellengefängnis umfasste ein großes Areal im äußersten Norden der Altstadt. Die Zitadelle war seit der Zeit Saladins mehrmals zerstört und wiederaufgebaut worden und stand während der osmanischen Herrschaft vierhundert Jahre lang nicht unter der Leitung des Gouverneurs von Damaskus, sondern samt der dazugehörigen Garnison direkt unter dem Befehl des Sultans in Istanbul. Die osmanischen Sultane wussten, dass die unruhige Stadt Damaskus ohne die mächtige Zitadelle leichter zu beherrschen war. Und in der Tat griffen die dem Sultan treuen Elitesoldaten bei jedem Aufstand die Stadt von der Zitadelle aus an und unterwarfen sie.
    Die Franzosen verwandelten die Zitadelle dann für fünfundzwanzig Jahre in eine französische Garnison und ein Gefängnis für syrische Aufständische. Seit der Unabhängigkeit diente sie für mehrere Jahrzehnte als Zentralgefängnis. Aber aus Faulheit nannten die Damaszener das Gefängnis weiterhin einfach »Zitadelle«. Dies sollte sich als klug erweisen, denn fünfzig Jahre nach der Unabhängigkeit wurde das Gebäude renoviert und offiziell wieder Zitadelle genannt. Das Gefängnis wurde verlagert.
    Diese Zitadelle war eine der wenigen im Orient, die nicht auf einem Berg errichtet worden war, sondern auf gleicher Höhe mit der Stadt lag. Ein Gewirr aus rostigem Stacheldraht und unförmigen Stangen sicherte alle Mauern und verhinderte die Sicht.
    Hamids Zelle lag im zweiten Stock des nördlichen Flügels. Das war ein Vorteil, weil diese Seite von der sengenden Sonne im Sommer verschont blieb. Von seiner Gittertür aus konnte er auf den Innenhof der Zitadelle sowie über die Dächer und Gassen der Altstadt blicken, in deren Gewirr sein schönes Haus lag. Das kleine vergitterte Fenster gegenüberder Tür zeigte ihm einen Ausschnitt der Dächer des

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