Das Geheimnis Des Kalligraphen
Bild. »Männerfabrik«, flüsterte er bitter und schüttelte den Kopf. Er wanderte in seiner Zelle auf und ab, schaute kurz durch das vergitterte Fenster in den dunklen Himmel. Warum hielt man ihn hinter Gittern gefangen? Es war doch ein fairer Kampf gewesen. Er hatte sich nur gegen den mächtigen Abbani gewehrt, der immer alles bekam, was er wollte, ohne Rücksicht darauf, ob er das Leben anderer zerstörte oder nicht. Er hatte nicht heimtückisch gehandelt, wie der verfluchte Rechtsanwalt der Familie Abbani es dargestellt hatte.
Karam, der Kaffeehausbesitzer, hatte ihm verraten, dass der Hurenbock Nassri Abbani bei seiner Frau Almas versteckt lebe, aber jeden Dienstagabend in das Hammam Nureddin gehe.
Als sie sich, Karam und er, im Havanna Café trafen, warnte ihn dieser, dass Nassri bewaffnet sei, und riet ihm, eine Pistole mitzunehmen. Er bot sogar an, ihm eine zu besorgen.
Doch Hamid wollte keine Pistole. Das war nichts für Männer. Jedes Kind konnte damit einen Helden aus der Ferne erschießen. Nur ein Messer konnte die Ehre reinwaschen.
Ebendieser Karam belastete ihn dann vor dem Richter. Ein charakterloser Mann. Niemand wusste, welche Rolle er in dieser Geschichte gespielt hatte.
Er, Hamid, hatte Nassri gegenübergestanden und ihm gesagt, dass er ihn töten wolle, weil er seine Ehre verletzt habe, und statt sich zu entschuldigen, rief dieser, seit wann solche Ratten wie Hamid Farsi eine Ehre hätten. Er sei nicht einmal Araber, sondern ein persischer Bastard, ein Flüchtling. Dabei steckte er seine Hand in die Jackentasche, aber der sperrige Revolver blieb hängen. Hätte er etwa warten sollen, bis dieser Hurensohn ihn durchsiebte? Nein, er war auf ihn gesprungen und hatte zugestochen.
Was war daran so kaltblütig?
Hamid lächelte bitter. Es war ein Kampf um Leben und Tod gewesen. Warum gönnte man ihm seinen Sieg nicht? Als Antwort schüttelten nicht nur Richter und Anwälte, sondern auch sein Meister Serani, als er ihn im Gefängnis besuchte, den Kopf. »Du bist in eine Falle geraten«, sagte er leise. Er sah hinter all dem eine Verschwörung. Er habe gehört, der Kaffeehausbesitzer hätte den Revolver für Abbani besorgt, obwohl dieser das gar nicht wollte und nie zuvor eine Pistole in der Hand gehalten hatte. Ohnehin war er an jenem Abend völlig betrunken, wie die Obduktion zeigte.
Sein Meister glaubte wirklich, Abbani sei unschuldig gestorben. Und Karam und die »Reinen« stünden hinter allem. Aber das wäre noch harmlos gewesen, wenn sich sein Lehrer und Meister nur in der Sache Abbani geirrt hätte. Aber er bat ihn zusätzlich darum, die Großmeisterurkunde zurückzugeben, damit der Bund einen Nachfolger wählen könne, um eine Spaltung zu vermeiden. Die Hälfte der Kalligraphen bewundere ihn und überlasse ihm die Wahl seines Nachfolgers, die andere Hälfte wolle ihn aus dem Bund ausschließen, aber sie seien bereit, darauf zu verzichten, wenn er die Urkunde freiwillig zurückgebe.
»Sag ihnen, ich hätte bereits einen Nachfolger gefunden, dem ich die Urkunde übergeben werde.«
Serani ging, gebeugt vor Kummer. Er drehte sich ein letztes Mal um und winkte, in der Hoffnung, Hamid würde seine Meinung ändern und ihn zu sich rufen, doch dieser stand da wie eine Statue, steif und reglos.
Hamid ging aufgeregt in seiner Zelle auf und ab. Er erinnerte sich, dass Nassri stark nach Schnaps gestunken und seine Worte eher gelallt als gesprochen hatte. Karam, der Kaffeehausbesitzer, spielte eine undurchsichtige Rolle. Hat er ihn hereingelegt oder wurde er selbst erpresst und gezwungen, als Zeuge auszusagen? Vielleicht hatte man ihn dafür bezahlt? Karam hatte ihn gegen Abbani gehetzt, weil dieser angeblich Karams Nichte Almas vergewaltigt hatte. Ihre Familie war erleichtert, als der Herr als Wiedergutmachung die schwangere Tochter heiratete. Und von dieser Nichte, Abbanis vierter Frau, hatte Karamerfahren, wann und wo dieser Hurenbock zu treffen war. Karam stritt vor Gericht alles ab, und auch die Witwe heuchelte im Zeugenstand die liebende Ehefrau und lobte die Treue ihres verstorbenen Mannes, bis der Richter sie nach Hause schickte. Der Richter war, wie Hamids Rechtsanwalt ihm zuflüsterte, des Öfteren mit Nassri im Puff gewesen.
»Wie hätte ich sonst erfahren können, wo dieser Gockel zu erwischen ist, wenn mir nicht Karam seinen Weg verraten hätte?«, schrie Hamid, aber der Richter schien das Wort Logik noch nie gehört zu haben. Er hielt sich angeblich nur an die Fakten, und die
Weitere Kostenlose Bücher