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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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Zeitung, ein großerVerehrer von Hamid, verriet mehr, als dieser wollte. In einem Interview hatte er direkt nach der Notwendigkeit der Reform gefragt. Hamid hatte geantwortet, das Alphabet habe Schwächen, man müsse es erweitern, um eine modernere Sprache für den Alltag zu haben. Im zweiten Schritt – »dies brauchen unsere Kinder und Kindeskinder erst in fünfzig oder hundert Jahren zu leisten« – könne man überflüssige Buchstaben ausmerzen und auch die Form der Buchstaben so verbessern, dass sie immer weniger miteinander verwechselt würden. Der Journalist kürzte den Satz mit den Kindern und Kindeskindern und der großen Zeitspanne, ohne Hamid zu fragen, und fügte eigenmächtig hinzu, dass das Alphabet wie das persische werden sollte.
    Das brachte Hamid Beschimpfungen und drei unangenehme Anrufe ein, dann aber beruhigte sich die Lage wieder. Härter war die Kritik aus den eigenen Reihen. Sunnitische Kalligraphen wollten nichts mit Persien zu tun haben. Er beruhigte sie und wusste, dass er sie belog, weil er bei der Erweiterung des Alphabets sehr wohl plante, sich dem persischen Alphabet zu nähern.
    Hamid lächelte bitter. Solange die Idee der radikalen Reform der Schrift nur als Schwärmerei im Bund besprochen wurde, herrschte Harmonie, als er jedoch an die Öffentlichkeit trat, spaltete sich die ganze Organisation in Gruppen und Grüppchen. Plötzlich war er nicht mehr das Haupt des Bundes, wie es die Gesetze seit Jahrhunderten vorschrieben, sondern es entstand eine mehrköpfige Hydra. Dies alles begleitete die Gründung der Schule, als er jede Kraft und Solidarität gebraucht hätte. Viele Neider sahen genau da den Augenblick gekommen, ihn zu stürzen. Die einen fanden die Reform zu langwierig und zu verwässert, die anderen wollten mit der Gründung der Schule sofort ein neues Alphabet einführen, das alle Schwächen der arabischen Schrift mit einem Schlag beseitigte, die dritten wollten plötzlich keine einzige Veränderung, die irgendetwas mit Persien zu tun hatte, sondern begnügten sich mit dem Gejammer über die Untauglichkeit des arabischen Alphabets.
    Hamid verlangte Disziplin und Gehorsam und musste all sein Ansehen in die Waagschale werfen, um Geschlossenheit zu erreichen. Merkwürdigerweise standen alle Meister des Nordens hinterihm, während die zwei Vertreter der Stadt Damaskus den Bund verließen.
    Dann war Ruhe. Die Eröffnungsfeier der Schule bestätigte, dass der ganze Wirbel innerhalb des Bundes nur ein Sturm im Wasserglas gewesen war. Die Elite des Landes war über diesen Schritt hocherfreut.
    Doch musste er bald feststellen, dass er sich getäuscht hatte. Als die Schläger seine Schule zertrümmerten und besudelten, gab der Scheich der Omaijaden-Moschee ihnen Rückendeckung und zitierte in einem Interview Hamids Worte bewusst falsch. Er wurde daraufhin zum ersten Mal als »abtrünnig« beschimpft. Und die demokratische, angeblich zivilisierte Regierung verbot die Schule, statt die »Reinen« zu Staatsfeinden zu erklären.
    Seine Gegner im »Bund der Wissenden« hielten still, aber nur so lange, bis er ins Gefängnis kam. Nun wollte die Mehrheit der Meister im Süden auf Demokratie pochen und Wahlen veranstalten, um einen Großmeister zu bestimmen. Der Norden, geführt von Ali Barake, hielt felsenfest zu Großmeister Hamid und bat ihn, selbst den Nachfolger zu bestimmen.
    Doch nicht nur im Bund hatte Hamid Ablehnung erfahren. Von dem Tag an, als er anfing, öffentliche Schritte zu unternehmen, um seine radikale Reform bekannt zu machen, boykottierten ihn die religiösen Auftraggeber. Zwei Moscheen zogen umgehend ihre Aufträge zurück. Erst jetzt fiel ihm auf, dass dies immer mit dunklen Andeutungen verbunden war.
    Auch, dass Serani jeden Kontakt mit ihm gemieden hatte, war ihm nun klar. Serani hatte Angst um seine Aufträge und um sein Leben gehabt.
     
    13.
     
    H atte er die »Reinen« unterschätzt, weil ihre bärtigen Handlanger der dümmsten Schicht der Menschheit angehörten? Waren sie in der Zentrale der »Reinen« vielleicht so klug, dass sie alles mit Kälte und Berechnung planten, um ihre Feinde auf mehreren Ebenen zu zerstören? Wollten sie mehr als den Tod ihrer Feinde?
    Hatten die »Reinen« sogar seinen »Bund der Wissenden« unterwandert? Bei manchem religiösen, konservativen Kalligraphen im Bund und auch im »Rat der Weisen« hatte er zwar Sympathie für die Ansichten der »Reinen« erkannt, konnte aber nicht offen mit ihnen sprechen, weil die Grenzen zwischen

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