Das Geheimnis Des Kalligraphen
war schneeweiß und teigig und da er viel schwitzte, wurde er glitschig wie ein Frosch. Er trank vor dem Liebesspiel immer Arrak, so dass sie bald keinen Anis mehr riechen konnte. Dazu besaß er einen Apparat, der in Damaskus einzigartig war, und je mehr sie ihn um Milde bat, umso wilder wurde er. Es war eine Tortur, unter ihm liegen zu müssen. Sie hatte inzwischen drei Kinder, die sie liebte, und genoss das Leben mit ihnen als Erholung zwischen den Heimsuchungen ihres Mannes.
Eines Tages empfahl Dalia der Frau, vor dem Akt drei Haschischzigaretten zu rauchen, wie einige Kundinnen das taten und so ihre Ehemänner erträglicher fanden. Nasime kam allerdings zu der Ansicht, sie würde das Haschisch nicht vertragen, weil sie sich beim Anblick ihres Mannes stets erbrechen müsse.
Dalia versuchte ihre Kundin damit zu trösten, dass ihr Mann offensichtlich zu viel Samen produziere und ihn, ob er wolle oder nicht, loswerden müsse. Nasime lachte bitter: »Ich glaube«, sagte sie, »bei meinem Mann besteht das ganze Hirn aus Samen.«
Beide Frauen lachten, und zum ersten Mal fiel Nura auf, welch zauberhaftes glucksendes Lachen die Frau von sich gab. Wäre sie ein Mann, dachte Nura, sie würde sich auf der Stelle in Madame Abbani verlieben. Sie ahnte nicht, wie nahe die Wahrheit lag. Auch Nassri Abbani hatte sich für diese Frau entschieden, als er sie im Haus ihrer Eltern lachen hörte. Sehen durfte er sie damals nicht, aber er war dem Rat seiner Mutter gefolgt und heiratete die Frau.
Und irgendwann, kurz vor dem Ende ihrer Lehrzeit, hörte Nura, wie die Schneiderin ihrer Freundin Nasime Abbani den Ratschlag gab: »Es bleibt dir nur eins: Scheidung! Und danach suchst du dir genau den Mann, den du lieben kannst.«
Gegen Ende des dritten Jahres durfte auch Nura die teuersten Stoffe wie Samt und Seide selbständig bearbeiten. Wenn sie dann einen Auftrag ganz allein ausführte, zeigte Dalia ihr deutlich, wie viel sie von ihr hielt, was wiederum die Eifersucht ihrer alten Mitarbeiterin Fatima hervorrief.
Sie hätte glücklich und zufrieden ihre Lehrzeit beenden können, wenn nicht eines Tages die Tante eines berühmten Kalligraphen aufgetaucht wäre.
An jenem Morgen, als sie diese Frau kennenlernen sollte, beobachtete sie auf dem Weg zur Schneiderin zwei Polizisten, die einen Hund erschossen. Seit Wochen ging das Gerücht durch die Gassen, eine Bande würde Hunde fangen, mit Wasserstoffperoxid den Namen des Präsidenten Schischakli auf ihre Rücken schreiben und sie dann durch die Stadt treiben. Der Hund, der vor Nuras Augen erschossen wurde, hatte ein hellbraunes Fell, auf dem die geätzten Buchstaben schneeweiß leuchteten.
Als Nura Dalia an jenem Morgen erzählte, dass sie erlebt hatte, wie elend der Hund starb, weil der Schuss ihn nicht sofort tötete, erstarrte diese: »Das bringt Pech, Gott schütze uns vor dem Kommenden.«
Im Laufe des Tages vergaßen Dalia und Nura jedoch den Hund und den Präsidenten.
Oberst Schischakli, der durch einen Putsch an die Macht gekommen war, wurde im Frühjahr 1954 durch einen Aufstand verjagt. Aber es sollten Jahre vergehen, bis Nura erkannte, dass Dalia an jenem Morgen keinem Aberglauben erlegen war, sondern eine Prophezeiung aussprach.
14.
N ura brauchte Jahre, um aus den einzelnen bunten Fetzen ihrer Erinnerung das Bild ihrer Ehe zusammenzusetzen. Und dachte dabei oft an ihre Großmutter, die ganze Landschaften aus bunten Stoffresten zusammengenäht hatte.
Wie sie erst kurz vor ihrer Flucht erfuhr, war ihre Schulkameradin Nabiha al Azm es gewesen, die Hamid Farsi indirekt zu ihr geführt hatte. Nabihas reiche Familie bewohnte ein schönes Haus nicht einmal fünfzig Schritte von Hamids Atelier entfernt. Ihr Bruder, der Nura bereitsals junges Mädchen kannte, war vernarrt in die Kalligraphie und ein guter Kunde von Hamid. Eines Tages erzählte er Nabiha von dem einsamen Kalligraphen und diese hatte sofort einen Namen im Sinn: Nura!
Nura konnte sich später an ein zufälliges Treffen mit Nabiha im Suk al Hamidije erinnern, wo sie für Dalia Spezialknöpfe besorgte. Nura hatte reichlich Zeit, und so nahm sie die Einladung ihrer ehemaligen Schulkameradin an, gemeinsam Eis zu essen. Nabiha, die bereits verlobt war und kurz vor der Hochzeit stand, wunderte sich darüber, dass Nura immer noch ledig war.
»Ich habe immer gedacht, dass du dir mit deinem schönen Gesicht gleich mit fünfzehn einen reichen Mann schnappst. Ich bin doch ein zerrupftes Hühnchen im Vergleich
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