Das Geheimnis Des Kalligraphen
Männer hinter dem Bräutigam standen.
Nuras Vater, Scheich Arabi, beeindruckte die Besucher mit seinem Wissen, und sie stellten ihm um die Wette knifflige Fragen, die Moral und Glaube betrafen, aßen in aller Ruhe Obst, rauchten und tranken süßen schwarzen Tee. Dann erst kamen sie auf den Zweck ihres Besuchs zu sprechen, und bald waren sich beide Parteien einig. Als die Sprache auf das Brautgeld kam, betonte Nuras Vater, gegen den Willen seiner Frau, das sei ihm gleichgültig. Hauptsache, er könne sicher sein, dass seine Tochter in guten Händen sei. Geld sei vergänglich, aber nicht Achtung und Liebe des Partners, die ihm für seine Tochter wichtiger seien. Seine Frau, die in der Küche alles mithörte, warf ihm später vor, er hätte mit etwas Geschick ein wesentlich höheres Brautgeld aushandeln können, wie sie es mit der Tante des Bräutigams schon vereinbart hatte. Er gebe seine Tochter so billig ab, als wäre sie eine alte Jungfer. Auch Hamids Onkel war der Meinung, aber er schwieg undlachte innerlich über Nuras Vater, der ihm wieder einmal bestätigte, dass ein Mann des Buches keine Ahnung von Geschäften und vom wahren Leben hatte. Bei einer solch hübschen und klugen Tochter hätte er das Dreifache an Brautgeld herausgeschlagen.
Als sie sich auch über den Hochzeitstermin einig waren, standen sie alle auf und gaben sich die Hände, und Nuras Vater sprach eine Sure aus dem Koran, um diesen Bund zu segnen.
Ein paar Tage später kam ein Bote des Bräutigams und brachte einen Teil des Brautgeldes, und dann ging alles sehr schnell. Dalia, die Schneiderin, bekam den größten Auftrag des Jahres, nämlich, Nura für die Hochzeit auf das Schönste auszustaffieren. Im Nachhinein kam Nura die Zeit wie ein Rausch vor, nie zuvor und auch nie danach hatte sie so viele Geschäfte aufgesucht und so viel Geld ausgegeben. Ihre Mutter konnte nicht genug an Geschirr, Kleidern und Schmuck kaufen, obwohl Nura in ein bereits eingerichtetes Haus einziehen sollte, das ihr zukünftiger Mann bereits vor Jahren gekauft und mit seiner ersten Frau bewohnt hatte. Nuras Mutter jedoch bestand darauf, dass Geschirr und Bettwäsche neu sein mussten. Der Bräutigam versuchte, wenigstens sein teures Geschirr zu retten, aber Nuras Mutter behauptete, es bringe Unglück, aus Tellern zu essen, die eine Tote einmal gebraucht hatte. Widerwillig gab der Bräutigam nach, überließ seiner zukünftigen Schwiegermutter einen zweiten Hausschlüssel und kümmerte sich nicht mehr darum, was alles aus seinem Haus entfernt wurde. Und er drückte bei der Umgestaltung seines Hauses durch die Schwiegermutter beide Augen zu. Für Nuras Mutter bewies er damit Großmut und edle Haltung. Von nun an schloss sie ihn ins Herz.
Doch nur schwere Möbel wurden direkt in Hamids Haus gebracht. Alles andere lagerte bis zum Hochzeitstag im Haus von Nuras Eltern. Zimmer für Zimmer füllte sich mit den neuen Anschaffungen und ihr Vater sehnte sich nach dem Tag, an dem all das Zeug zum Haus des Bräutigams getragen werden sollte. Er musste aber noch eine Weile warten.
Dalia arbeitete nur noch für Nuras Hochzeit. Sie stöhnte oft, dass sie es nicht rechtzeitig schaffen werde, trank viel Arrak und schlief wenig.
»Bis ich mit meinem Mann die erste Nacht verbracht habe, bist du auf dem Friedhof«, scherzte Nura, um ihre eigenen Gewissenbisse zu mildern.
Noch Jahre später erinnerte sie sich an die letzten Wochen bei der Schneiderin. Dalia war sehr traurig. »Immer verlassen mich diejenigen, die ich liebe«, sagte sie eines Abends unvermittelt, als Nura mit ihr allein arbeitete. Sie bedauere sehr, dass der Bräutigam sehr reich sei, denn Nura sei ihre beste Mitarbeiterin und würde eine gute Schneiderin abgeben. Und beim Abschied liefen Nura die Tränen über die Wangen, als Dalia ihr ein Hemd aus Seide schenkte. »Nimm, das habe ich dir heimlich genäht«, sagte Dalia mit bewegter Stimme, »die Seide war ein Rest und die teuren Knöpfe habe ich einer reichen Kundin abgeknapst. Also musst du dir keine Gedanken machen. Geklautes schmeckt und trägt sich besser als Gekauftes.«
Dalia war völlig betrunken.
Nura erinnerte sich später besonders gut an den Abschied, weil sie am selben Abend noch ins Hammam ging und dort etwas Unangenehmes erlebte. Es war kurz vor der Hochzeit. Ein paar Minuten nach ihrer Ankunft kam eine im Viertel bekannte Hebamme zu ihrer Mutter und wenig später sollte Nura ihr folgen. Die Frauen lärmten in dem großen Raum und spielten mit Wasser
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