Das Geheimnis Des Kalligraphen
als schweigsamen Jungen, der so behaart war wie ein Affe. Man schmunzelte in der Familie,seine Mutter habe eine Liebesaffäre mit einem Gorilla gehabt. Aber ganz so schlimm war es nicht.
Kadir tauchte auf, als mein erster Mann starb. Er war im Begriff, seine eigene Werkstatt zu eröffnen. Ich war nicht einmal siebzehn und lebte nicht in den Gassen von Damaskus, sondern in den Filmen, die ich damals sah.
Er war ein kluger Automechaniker und hatte Glück. Bald konnte er sich vor Kundschaft kaum noch retten. Wenn er zu Besuch kam, roch er immer nach Benzin. Er schwieg die meiste Zeit oder er redete mit meinem Vater über Autos. Mein Vater fuhr damals als einer der ersten einen Ford.
Ich mochte meinen Cousin Kadir nicht, aber er gefiel meiner Mutter und mehr noch meinem Vater, dessen Auto von nun an kostenlos repariert wurde.
»Kadir hat gesegnete Hände. Seitdem er das Auto angefasst hat, macht die alte Blechkiste keine Probleme mehr.«
Mein Verlobter war das genaue Gegenteil von meinem Geliebten, den ich mir in meiner Fantasie ausgemalt hatte. Der war ein redseliger, schlanker Araber mit großen Augen, dünnem Schnurrbart und messerscharfen Koteletten. Er kam, wann immer ich ihn sehen wollte, mit glatt rasiertem Gesicht. Sein Haar glänzte wellig und er hatte immer eine Zeitung oder Zeitschrift unter dem Arm. Und diesen Geliebten interessierten meine Lippen und Augen mehr als mein Hintern. Er fand meine Worte sinnlich und versank in meinen Augen.
Doch dieser Geliebte fiel tot um beim ersten Schlag, den ihm mein Bräutigam in der Hochzeitsnacht versetzte. Der machte sich weder was aus Frisuren noch aus Zeitschriften, und Filme waren für ihn glatter Betrug. Alles, was nicht aus Fleisch oder Metall war, interessierte ihn nicht. Er aß kein Gemüse, sang nie und sah keinen einzigen Film in seinem Leben. Er bemerkte nicht einmal, dass ich Mund und Augen besaß. Denn er schaute nur auf meinen Hintern.
In der ersten Nacht mit ihm lag ich, ohne einen einzigen Kuss zu bekommen, unter ihm und er wieherte wie ein kraftvoller Hengst und schwitzte. Sein Schweiß roch nach Heizöl. Ich konnte das üppige Hochzeitsessen in meinem Magen gerade noch bei mir behalten.
Ich musste nicht nur seine Geliebte im Bett, sondern auch für ihn sorgende Mutter sein, dazu Geschäftsfrau und Sklavin im Haushalt. Allein seine Arbeitskleider hätten eine Wäscherin voll beschäftigt. Denn er wollte täglich frische haben. Da waren mir die alten Araber lieber! Die trennten alles fein säuberlich, die Mutter, die Ehefrau als Hausherrin, eine Sklavin für den Haushalt, eine Köchin, eine schöne Gespielin, eine Erzieherin für die Kinder und weiß der Teufel, was noch. Heute wollen die Männer all das von einer einzigen Frau haben. Und möglichst preiswert.
Ein Jahr lang bestieg er mich täglich zweimal, so dass ich bald nicht mehr laufen konnte. Und dann eines Nachts kam die Erlösung. Mitten im Orgasmus stieß er einen Schrei aus, als hätte er sich in Tarzan verwandelt, und fiel seitlich auf das Bett. Er war tot, mausetot. Ich schrie drei Tage lang vor Schreck, und man hielt mein Geschrei für Trauer.«
Unglaublich, was Nura alles zu hören bekam. Sie hätte gerne Fragen gestellt, um die Einzelheiten genauer zu verstehen, wagte aber nicht, Dalias Erzählfluss zu unterbrechen.
Diesmal war die Schneiderin schlau und etwas schneller als die Familie ihres Mannes gewesen. Sie verkaufte die Werkstatt an den ältesten Gesellen und seinen großen 16-Zylinder-Cadillac für viel Geld an einen reichen Saudi-Araber und lachte sich kaputt über die empörten Geschwister ihres Mannes, die leer ausgingen.
Vom dritten Mann erzählte Dalia nie. Auch als Nura kurz vor ihrem Abschied nach fast drei Jahren nach ihm fragte, winkte die Schneiderin ab. Es sah nach einer Wunde aus, und es war auch eine tiefe Verletzung, wie Nura später von einer Nachbarin erfuhr.
Dalia hatte ihren dritten Mann im Krankenhaus beim Besuch einer kranken Freundin kennengelernt. Er war jung, aber unheilbar an Krebs erkrankt. Dalia verliebte sich in den blassen jungen Mann. Die Frau des Chefarztes war eine begeisterte Kundin von ihr, so durfte Dalia ihren Geliebten sehen, wann sie wollte. Sie beschloss, den kranken Mann zu heiraten, dessen Namen sie nie erwähnte. Alle Verwandten und Freunde warnten sie, aber Dalia hatte schon immer ihren eigenen Kopf gehabt, der einen Vergleich mit Granit nicht zu fürchtenbrauchte. Sie heiratete den Mann, nahm ihn zu sich und pflegte ihn mit
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