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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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Nura in das schwere Hochzeitskleid, zehn goldene Armreife wurden über ihren linken Arm geschoben, eine breite Halskette aus Gold umgelegt und zwei ebenfalls goldene Ohrringe angesteckt. Dann folgte das Pudern und Schminken ihres Gesichtes. Als die Frauen fertig waren, erkannte Nura sich im Spiegel nicht wieder. Sie war viel schöner, viel weiblicher geworden.
    Nun wurde Nura von ihrer Mutter auf der rechten und Majda aufder linken Seite aus dem Haus ihrer Eltern zu einer geschmückten Kutsche geführt. Nura dachte, das sei mit Sicherheit von ägyptischen Schnulzen abgekupfert. Hinter ihnen stiegen die Freunde und Verwandten in zwanzig Kutschen, und die Kolonne setzte sich in Bewegung und fuhr durch das Viertel in Richtung Gerade Straße. Viele Passanten, Bettler und Straßenverkäufer sahen mit verwunderten Augen die Prozession der Pferdekutschen. Und manch einer rief: »Der Prophet soll euch segnen und euch Kinder schenken.«
     
    »Eine Nichte von mir«, erzählte Majda, »hat letzte Woche eine Katastrophe statt einer Hochzeit erlebt. Die Eltern ihres Bräutigams sind sehr altmodisch und zwei Stunden vor der Hochzeit verlangte die Schwiegermutter, dass eine mit ihr befreundete Hebamme die Jungfräulichkeit meiner Nichte in ihrem Beisein überprüfen sollte. Die Nichte, die ihren zukünftigen Bräutigam sehr geliebt hat und sich nahe dem Paradies fühlte, hatte nichts dagegen, denn sie war in der Tat unberührt. Aber ihre Eltern lehnten es ab. Sie betrachteten es als vorbereiteten Affront der Schwiegermutter, die von Anfang an gegen diese Ehe war. Ein großer Tumult brach aus, in dessen Verlauf beide Familien aufeinander einschlugen. Erst nach einer Stunde konnte die alarmierte Polizei die Streitenden trennen. Der Anblick des Innenhofs konnte einem das Herz brechen. Ein Trümmerhaufen und darin lag auch das Glück meiner Nichte in Scherben.«
    Nura drehte sich der Magen um, warum erzählt sie das, fragte sie sich. Soll das eine Andeutung sein?
    Vor der Tür ihres zukünftigen Hauses stieg sie aus und ging auf die versammelten Menschen zu, und bereits nach wenigen Schritten begannen diese wie im Chor zu jubeln und sie willkommen zu heißen. Es waren mehr als hundert Leute, die hier ihrer Freude Ausdruck gaben. Dalia umarmte sie kurz. »Du bist schöner als jede Prinzessin im Film«, flüsterte sie und entfernte sich leichtschattig. Ein Mann aus der Verwandtschaft des Bräutigams stellte ihr einen Stuhl vor den Eingang des Hauses und eine Frau reichte ihr einen faustgroßen Teigklumpen. Nura wusste, was sie tun musste. Sie nahm den Teigklumpen, stieg auf den Stuhl und klatschte ihn kraftvoll auf den Steinbogen, der die Haustürumrahmte. Der Teig blieb haften. Die Menschen jubelten: »Wie die Hefe sollt ihr euch vermehren«, riefen sie.
    Nura betrat das Haus und war fasziniert von dessen Innenhof, in dem ihre Mutter, wie zuvor im eigenen Haus, eine große Zahl Kerzen und Weihrauchschalen hatte aufstellen lassen.
    Nura suchte ihren Vater in diesem wogenden Meer aus Frauen und Männern, sie fühlte eine eigenartige Einsamkeit und hoffte auf ein ermunterndes Wort von ihm, doch er war nirgends zu sehen.
    Ihre Mutter zog sie wortlos in ein Zimmer. Eine Meute von alten Frauen grinste sie an. Und nun musste sie eine halbe Stunde lang das billige Theater aushalten, von dem ihr ihre Freundinnen schon berichtet hatten. Die Frauen sprachen einzeln und manchmal im Chor auf sie ein. Sie allein stand mitten im Zimmer, und ihre Mutter lehnte sich gegen eine Wand und beobachtete das Ganze unbeteiligt, als wäre Nura nicht ihre Tochter. Die Frauen leierten ihre auswendig gelernten Reden herunter.
    »Was er dir auch immer sagt, widersprich nicht. Das mögen Männer nicht.«
    »Was er auch fragt, du weißt nichts, auch wenn du die Antwort kennst. Die Männer lieben das Unwissen der Frauen und unser Wissen geht sie nichts an.«
    »Gib dich ihm nie hin, leiste ihm Widerstand, damit er dich erobern muss. Das mögen die Männer. Wenn du dich leicht hingibst – und sei es aus Liebe –, hält er dich für ein leichtes Mädchen.«
    »Und nimmt er dich, habe keine Angst vor ihm. Eine Sekunde musst du die Zähne zusammenbeißen, dann ist er drinnen, und noch bevor du zehn Atemzüge machst, spuckt er den Saft seiner Begierde in dich hinein. Beginne wieder zu zählen, und noch bevor du hundert sagst, hörst du sein Schnarchen, und wenn er sehr potent ist, dann wiederholt er es dreimal, und spätestens dann ist er nur noch ein verschwitzter

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