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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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das Alleinsein. Aber wie sollte sie sich an einen fremden Mann gewöhnen? Sie wusste keine Antwort.
    Im Bett war Hamid freundlich und rücksichtsvoll, dennoch fühlte sich Nura einsam. Sie erstickte beinahe, wenn er in und über ihr war. Sie bekam keine Luft mehr. Und diese Einsamkeit und Fremde schmerzten sie unendlich.
    Als alle Hochzeitsgerichte gegessen, alle Lieder gesungen waren und die letzten Gäste das Haus verlassen hatten, verblasste die berauschende Exotik zu einer gewöhnlichen Einsamkeit. Sie sah ihn mit neuen Augen an, als hätte der Bräutigam das Haus verlassen und ein fremder Ehemann seine Stelle eingenommen.
    Sie entdeckte sehr schnell seine erste Schwäche: Er hörte nicht nur fremden Frauen, sondern auch ihr nicht zu. Gleich, was sie erzählte, er sprach anschließend nur von seinen eigenen kleinen und großen Vorhaben. Alles beschäftigte ihn offensichtlich mehr als das Leben mit ihr. Wenn sie ihn nach seinen Plänen fragte, wurde er abfällig: »Das ist nichts für Frauen«, sagte er. Jeder Zwerg von einem Mann interessierte ihn mehr als eine kluge Frau.
    Bald vertrockneten die Worte auf ihren Lippen.
    Auch quälte er sie mit seinem eisernen Tagesablauf, an den sie sich nicht gewöhnen konnte. Obwohl ihr Vater einer Moschee vorstand, hatte er die Zeit nie so ernst genommen. Ein Verhalten, das Hamid verachtete. Es sei ein Zeichen der Dekadenz der arabischen Kultur, dass man die Zeit nicht mehr ernst nehme. Nichts auf der Welt verachtete er mehr als das Wort »morgen«, das viele Araber bei Versprechen, Reparaturen, Bestellungen und Terminen gerne benutzten. »Red nicht herum«, brüllte er eines Tages den Tischler an, »sondern nenne mir einen Tag mit Datum, denn alle Tage haben Anfang und Ende, nur morgen nicht.«
    Der Tischler hatte dreimal versprochen, ein Regal für die Küche zu bauen, und am Ende kaufte Hamid es in einem Möbelgeschäft.
    Hamid führte sein Leben genau nach Plan und Uhrzeit. Er wachte auf, wusch und rasierte sich, trank Kaffee und verließ Punkt acht das Haus. Schlag zehn rief er an und fragte Nura, ob sie etwas brauche, damit der Laufbursche es ihr bringe, wenn er mittags das Essen hole. Auch dieser wurde von seinem Meister gehetzt. Punkt halb zwölf stand er verschwitzt und atemlos vor der Tür. Die armen Laufburschen.
    Punkt sechs kam Hamid nach Hause, um sich zu duschen. Um halb sieben nahm er die Zeitung, die er aus dem Geschäft mitgebracht hatte, um sie zu Ende zu lesen. Punkt sieben wollte er essen. Immer wieder schaute er auf die Uhr. Montag und Mittwoch ging er Punkt neun ins Bett. Am Dienstag, Freitag und Sonntag schlief er mit ihr und verschob die Nachtruhe um eine halbe Stunde. An diesen Tagen war er aufgesetzt lustig, um sich selbst in Stimmung zu versetzen und die Kalligraphie, von der er besessen war, für ein paar Stunden aus seinemGehirn zu vertreiben. Nura lernte, an solchen Tagen ein Lächeln auf ihr Gesicht zu malen, mit dem sie ihren Mann empfing.
    Am Donnerstag spielte er mit drei anderen Kalligraphen bis nach Mitternacht in einem Kaffeehaus im neuen Stadtteil Karten. Am Samstag nahm er an den wöchentlichen Sitzungen eines Bundes für Kalligraphen teil. Nura erfuhr aber nie, was dort besprochen wurde. »Das ist nichts für Frauen«, sagte er scharf und winkte ab.
    Eine Zeit lang hatte sie Zweifel, ob er samstags nicht zu den Huren ging. Doch dann entdeckte sie ein Dokument in der Innentasche seiner Jacke, die er an einem der Treffen getragen hatte. Es waren zwei Seiten Papier mit dem Protokoll einer Sitzung, die von Kalligraphen abgehalten worden war. Sie las die Stichworte und fand sie langweilig, und sie wunderte sich, dass man jeden Beitrag festgehalten hatte. Es ging um die arabische Schrift. Sie steckte die gefalteten Seiten wieder in die Innentasche der Jacke zurück, damit er nichts bemerkte.
    Es waren keine drei Monate vergangen und die angespannte Einsamkeit hatte sich fest im Haus eingenistet. Sobald Ruhe einkehrte, zeigte sie Nura ihr hässliches Gesicht. Die geliebten Bücher, die sie mitgebracht hatte, verwandelten sich in fade Schriften, die jedwede Anziehung verloren hatten. Neue Bücher durfte sie ohne Hamids Genehmigung nicht kaufen. Dreimal nannte sie ihm Titel, die sie zu lesen wünschte, aber er winkte nur ab. Das seien moderne Autoren, deren Schriften das Familienleben und die Moral zerstören würden, sagte er. Sie wurde wütend, weil er nicht eines der Bücher gelesen hatte.
    Um ihre Einsamkeit zu besiegen, begann Nura laut zu

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