Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
Junggesellen um die Hand ihrer Tochter anhält. Nein, es steckte etwas anderes dahinter, und sie hatte das Recht zu erfahren, was.
Entschieden eilte Antonia zum Zimmer ihrer Mutter.
Selma saß an ihrem Damensekretär und war in den Vertrag für das neue Haus in Oamaru vertieft. Eigentlich hätte sie noch ein paar Punkte mit dem alten Eigentümer zu klären, doch nun konnte sie nicht mehr einfach nach Frederik rufen. Er war überstürzt nach Dunedin abgereist. Vielleicht ist es auch besser so, dachte sie, sonst hätte er mich ständig in Oamaru besucht. Und schließlich habe ich den Ort gewählt, um weit fort von Dunedin zu sein. Ach, wenn wir doch bloß schon weg wären!
Ihre Gedanken schweiften zu Antonia ab. Deren aufsässiges Verhalten bereitete ihr Kummer. Und sie betete, dass dieser James Henson so viel Anstand besaß, nicht eines Tages in Oamaru aufzutauchen und noch einmal um Antonias Hand anzuhalten. Er mochte ja ein netter Kerl sein, aber darauf konnte sie jetzt keinerlei Rücksicht nehmen. Charles Wayne verkehrte in seinen Kreisen. Und das genügte für Selma als Grund, warum er Antonia niemals heiraten durfte. Innerlich verfluchte sie sich dafür, dass sie nicht besser auf ihre Tochter aufgepasst hatte und es zu diesem Zusammentreffen mit Charles Wayne kommen konnte. Selmas einziger Trost war die Tatsache, dass er sich noch nicht gemeldet und auf seine Rechte als Vater gepocht hatte. Wahrscheinlich hegt er keinen Verdacht, und das Ganze ist noch glimpflich abgelaufen, dachte Selma. Wie gut, dass Antonia Charles bis auf die Nase nicht ähnlich sieht. Sie hat weder sein dunkles Haar noch seine Größe geerbt. So könnte Selma zur Not leugnen, dass sie seine Tochter war. Aber trotzdem, solange sie in seiner Nähe lebten, war die Gefahr zu groß, dass sie einander wieder begegnen und dass bei ihm doch noch der Groschen fallen würde. Nein, da half nur eines: so schnell wie möglich fort von hier!
»Mutter?« Selma fuhr herum und erschrak. Antonia sah aus wie ein Gespenst. Ein entsetzlicher Gedanke durchfuhr sie. Ob ihre Tochter etwa bereits in anderen Umständen war? Vielleicht ging das mit diesem James und Antonia schon länger. Ihr wurde übel bei dem Gedanken, und bevor sie sich noch überlegte, ob es gut wäre, ihre Tochter mit so einer Frage zu konfrontieren, stand sie schon im Raum.
»Du bist doch nicht etwa schwanger?«
Antonias Gesichtsfarbe wechselte im Nu von Weiß zu Dunkelrot. »Mutter!«, rief sie empört aus. »Du selbst hast mir einmal erklären wollen, dass noch kein Mädchen vom Küssen schwanger geworden ist. Damit ich nicht so naiv bin wie du damals, als du Vater kennengelernt hast. Jedenfalls hast du das mal wörtlich so zu mir gesagt.«
»Entschuldige, mir geht es nicht so besonders. Ich ...« Ein Hustenanfall hinderte sie am Weitersprechen.
»Das hört sich gar nicht gesund an«, bemerkte Antonia besorgt. »Wie gut, dass der Arzt gleich kommt.«
»Ich brauche keinen Arzt«, schnaubte Selma, nachdem der Anfall vorüber war. »Und vergiss, was ich eben gesagt habe. Es ist im Augenblick alles ein wenig viel. Der Verkauf von Otahuna und der bevorstehende Umzug nach Oamaru. Aber ich habe ein wunderschönes Haus gefunden. Du wirst es mögen. Und zu dem Besitz gehört noch eine Strandhütte direkt am Meer ...«
»Mutter, sagst du mir auch die Wahrheit? Gibt es nichts, was du mir verschweigst? Warum müssen wir Waikouaiti so überstürzt verlassen? Und kennst du Mister Wayne wirklich nur, weil du ihm einst einen Vertrag gekündigt hast?«
»Ja, sicher, warum zweifelst du denn daran?«
»Weil ich nicht verstehe, was du gegen James und die Dunediner Gesellschaft hast. Du machst ihn schlecht, wo du nur kannst. Dabei hat er doch alles richtig gemacht.«
»Richtig gemacht nennst du das? Muss ich das alles noch einmal wiederholen? Ich schätze junge Männer nicht, die ohne Erlaubnis unter meinem Dach schlafen. Und die dich in ihrem Wagen zu einer Gesellschaft entführen, ohne es vorher mit mir abgesprochen zu haben. Und ich finde nicht, dass ein Schafzüchter unbedingt eine erstrebenswerte Partie für meine Tochter ist. So einer ist doch viel zu ungehobelt für dich zartes Persönchen. Zu dir passt eher ein ...«
»Ich will gar nicht wissen, wer deiner Meinung nach zu mir passt. Ich werde das verdammte Gefühl nicht los, dass deine Panik etwas mit Charles Wayne zu tun hat.«
»Jetzt reicht es. Ich will diesen Namen in meinem Hause nicht mehr hören. Nie mehr ...!« Die letzten Worte
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