Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
darf ihm meine Gefühle auf keinen Fall offenbaren.
»Bitte entschuldige, dass ich so indiskret bin«, fügte Hori hastig hinzu. »Aber ich hatte eigentlich gehofft, wenn es mit dir und Barry wirklich nichts mehr wird, könnte ich eine Chance bei dir haben.« Er lächelte gequält.
Grace betete, dass er das laute Pochen ihres Herzens nicht hören konnte. Wie gern würde sie ihm in die Arme fallen, aber es ging nicht. Jetzt noch weniger als zuvor. Jetzt, wo sie höchstwahrscheinlich von seinem Bruder schwanger war.
»Ich bin aber nicht hier, um mit dir über Barry zu sprechen. Ich möchte dich einladen«, sagte Hori nun mit ernster Stimme.
»Wozu?«
»Wir haben bei unserem Ausflug nach Maud-Island in vierzehn Tagen noch einen Platz frei, und da wollte ich dich fragen, ob du uns begleitest. Wir könnten gut noch eine Biologin gebrauchen. Zumal du dich doch so für den Moa interessierst. Dieses Mal setzen wir Takahe-Pärchen aus. Und schließlich galt die Takahe-Ralle auch bereits als ausgestorben ...«
»... genau, bis der Ornithologe Doktor Orbell, der besessen war von der Idee, dass der Takahe irgendwo überlebt hat, 1948 in einem abgelegenen Tal beim Lake Te Anau tatsächlich fündig wurde. Dort gab es überlebende Takahe-Rallen. Eine Sensation. Daraufhin brach nicht nur das Takahe-, sondern auch das große Moa-Fieber aus. Angeblich wurden auch davon etliche lebende Exemplare gesichtet. Ach, ich würde es zu gern erleben, wie die kleinen Takahes eine neue Heimat bekommen.«
»Dann begleitest du uns also?« Hori sah sie freudig an.
Grace erkannte, dass sie ihm im Überschwang der Gefühle falsche Hoffnungen gemacht hatte. »Ich werde es mir überlegen«, erwiderte sie hastig.
»Gut, wir treffen uns am Freitag übernächster Woche am Octagon. Um acht Uhr abends. Am Burns-Denkmal. Wir fahren die Nacht durch und schlafen im Bus. Am nächsten Morgen geht es dann von Picton aus mit dem Schiff durch den Marlborough Sound.«
»Ich weiß aber nicht, ob es so eine gute Idee ist, wenn wir etwas zusammen machen«, stieß Grace heftiger als beabsichtigt hervor.
»Ich würde mich freuen, wenn wir zumindest beruflich etwas Gemeinsames unternehmen würden.« Hori sah sie bittend an.
Ihr Herz klopfte ihr immer noch bis zum Hals.
»Muss ich dir jetzt schon zusagen?«, fragte sie ausweichend.
»Nein, entweder du bist am Octagon oder nicht. Ich halte einen Platz für dich frei.«
»Ja, dann sehen wir uns vielleicht.«
»Ich will nicht aufdringlich sein, aber die Professorin hat mir eben von ihrer Sammlung vorgeschwärmt. Würdest du mir die vielleicht zeigen?«
»Natürlich, Hori. Und bitte entschuldige mein unhöfliches Benehmen. Ich bin gerade völlig durcheinander. Und ich ...«
Weiter kam Grace nicht, weil Hori sie einfach in die Arme nahm und küsste. Sie erwiderte seinen Kuss voller Leidenschaft, was sie zutiefst bereute, kaum dass sich ihre Lippen voneinander gelöst hatten.
»Hori, ich will das nicht. Das ist mir zu kompliziert. Ich kann keine zusätzliche Verwirrung gebrauchen.«
Er blickte sie offen an. »Du hast ja recht. Ich sollte das nicht tun. Schon Barrys wegen nicht. Wenn der erfährt, dass ich dich besucht habe, dreht er eh durch. Und ich hatte mir auch ganz fest vorgenommen, dich nicht zu bedrängen. Wenn gestern nicht einer meiner Mitstreiter abgesagt hätte und ein Platz frei geworden wäre, ich wäre wieder nur an diesem Haus vorbeigegangen, ohne zu klingeln. Aber es wäre mir unfair vorgekommen, es dir nicht wenigstens anzubieten. Ich werde nie vergessen, wie deine Augen geleuchtet haben, als ich dir davon erzählte.«
»Soll ich dir jetzt die Sammlung zeigen?«, fragte Grace rasch und heftete ihren Blick auf den Boden. Seine warmherzigen Worte machten sie verlegen. Noch so eine nette Geste, und sie würde tatsächlich in seine Arme fliegen und ihm ihre Liebe gestehen. Ohne seine Antwort abzuwarten, eilte sie voran. Hori hatte Schwierigkeiten, ihr zu folgen.
Als sie im Ausstellungsraum das Licht andrehte, rief er begeistert aus: »Das ist ja Wahnsinn!« Dann stürzte er sich auf den Nachbau des Dinornis-Modells.
»Das hat die Großmutter der Professorin zusammen mit ihrem Mann, Arthur Evans, selbst gebaut.«
»Wie riesig die Weibchen gewesen sind. Und das da sind echte Knochen?« Er deutete auf die Vitrine mit den Schenkelknochen.
Grace nickte, aber sie war nicht ganz bei der Sache. Ihre Gedanken kreisten allein um seine Begeisterung, mit der er sich hier umsah. Genauso hatte sie
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