Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
sie erlebte, in was für eine tiefe Verzweiflung ihn der Schmerz über diesen Verlust stürzte. Sie wollte ihn mit seiner großen Liebe allein lassen.
Auf Zehenspitzen schlich sie aus dem Zimmer, um sich von dem Menschen zu verabschieden, dessen Tod ihr schier das Herz brechen wollte.
Peter saß immer noch wie erstarrt da.
»Du musst sie zum Versammlungshaus ihres Stammes bringen«, raunte Antonia ihm zu.
»Nein, sie hat ihre Verwandten lange nicht mehr gesehen. Die haben sich geweigert, mit uns Hochzeit zu feiern. Sie wird hier begraben«, widersprach er ihr trotzig.
»Peter, bitte, es ist ihr Wunsch. Bringe sie zu ihren Verwandten. Sie werden sich im Versammlungshaus von ihr verabschieden, und bleib du bitte auch bei ihr. Ich würde alles geben, um mit dir zu gehen, aber ich kann Mutter nicht allein lassen.«
»Wie geht es ihr?«, fragte er schwach.
»Sie ist der Grippe erlegen, und ich werde mich um ihre Beerdigung kümmern, während du Harata nach Hause bringst. Wirst du das tun, Peter?«
Er nickte schwach.
Antonia beugte sich zu Harata hinunter, gab ihr allen Warnungen zum Trotz einen Kuss auf die Stirn und flüsterte: »Gute Reise! Jetzt ist das Haus wirklich zur Festung des Todes geworden.« Dann erhob sie sich rasch und eilte zurück an das Bett ihrer toten Mutter.
Dunedin, Anfang April 2009
Leise schluchzend saß Grace in ihrem Zimmer. Sie wollte unbedingt allein sein, nachdem Suzan vorhin an ihrer Tür geklopft und sie förmlich mit der Fortsetzung von Antonias Geschichte überfallen hatte. Hatte sie sich in den letzten Tagen noch übertrieben abweisend verhalten, benahm sie sich heute extrem aufdringlich. Sie wollte vorhin sogar mit ihrer Erzählung fortfahren, nachdem Grace sie ausdrücklich um eine Unterbrechung gebeten hatte. Sie musste Suzan regelrecht aus dem Zimmer komplimentieren.
Grace wurde weder aus Suzan schlau, geschweige denn aus sich selbst. Sie war süchtig nach der Geschichte, aber seit es um Antonia ging, musste sie ständig mit den Tränen kämpfen. Und diese Blöße wollte sie sich vor Suzan auf keinen Fall geben. Doch kaum hatte die Professorin das Zimmer verlassen, hatte Grace ihre Gefühle nicht mehr zurückhalten können. Die Geschichte ging ihr regelrecht an die Nieren. Sie rechnete es Selma hoch an, dass sie wenigstens versucht hatte, Antonia den Namen ihres leiblichen Vaters zu nennen. Aber ob Antonia wohl jemals erfahren würde, was ihre Mutter noch hatte sagen wollen?
Grace war so tief in Gedanken versunken, dass sie nur von ferne die Hausglocke hörte, doch das Pochen an ihrer Zimmertür wenig später ließ sie hochschrecken. Suzans Klopfen klang anders.
»Herein!«, sagte sie eine Spur zu forsch und wischte sich hastig die verräterischen Spuren aus dem Gesicht.
So blickte sie neugierig zur Tür und traute ihren Augen nicht, als ein attraktiver, ihr wohlbekannter Mann zögernd das Zimmer betrat. Er wirkte auf sie noch größer, durchtrainierter und männlicher als beim letzten Mal.
»Du?«, fragte sie und bereute diese dümmliche Frage sofort.
»Ja, Suzan war so freundlich, mich hereinzubitten.«
Grace atmete einmal tief durch. Bei allem Ärger über Suzans Eigenmächtigkeit konnte sie eine gewisse Wiedersehensfreude nicht verhehlen.
»Wie geht es deinem Bruder?« Auch diese Frage bedauerte Grace schon in demselben Augenblick. Warum fragte sie nicht erst einmal nach seinem Befinden? Außerdem wollte sie lieber gar nicht an Barry denken, bis sie endlich ihre Regel bekam, die sich allerdings so ganz und gar nicht einstellen wollte.
»Wenn er wüsste, dass ich dich besuche, bestimmt wieder schlechter. Er ist sehr sauer auf dich. Er behauptet, du hast ihn verführt und danach wenig freundlich abserviert. Und das wegen eines anderen Mannes.« Hori blickte sie durchdringend an.
»Das hat er dir erzählt?«, fragte Grace erschrocken.
Hori stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ja, aber keine Einzelheiten. Und ehrlich gesagt möchte ich auch nicht unbedingt wissen, was ihr beide im Bett macht. Er ist seitdem unerträglich schlecht gelaunt. Ich wollte eigentlich zu ihm ins Haus ziehen, aber er will nicht mehr mit mir zusammenwohnen. Lucy kümmert sich nun um ihn. Ich hoffe ja, die beiden kommen wieder zusammen ... jetzt, wo du einen neuen Freund hast.«
Grace wurde es abwechselnd heiß und kalt. Offensichtlich hatte Barry seinem Bruder verschwiegen, dass er selbst jener Mann war, in den sie sich verliebt hatte. Und so soll es auch bleiben, dachte Grace, ich
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