Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
würden.«
»Das nenne ich generalstabsmäßige Planung«, spottete Grace, aber sie folgte Moira zurück ins Haus.
Sie konnte immer noch nicht fassen, dass dies wirklich die Geschichte ihrer eigenen Familie sein sollte und Barbra aller Wahrscheinlichkeit nach ihre Großmutter. Ein paarmal war sie versucht gewesen, Moira zu unterbrechen und zu brüllen: »Ich will wissen, warum sie mich weggegeben haben! Und ausgerechnet an einen Cameron!«, doch sie tat es nicht. Viel zu groß war ihre Angst vor der Wahrheit. Solange diese noch nicht ausgesprochen war, durfte sie immer noch hoffen, dass es halb so schlimm sein würde wie befürchtet.
Als sie die Küche betraten, erstarrte sie. Am Tisch saß eine apart aussehende, zierliche ältere Frau mit blond gefärbtem Haar und schaute sie skeptisch, ja beinahe ängstlich an.
»Moira, wer ist das?«, fragte sie und ließ Grace dabei nicht aus den Augen.
»Ich bin ...« Grace war fest entschlossen, die Wahrheit nicht länger zu verbergen, doch Moira schnitt ihr lautstark das Wort ab.
»Sie ist von der Kirchengemeinde. Unser Reverend hat sie hergeschickt.«
»Ach, dann bin ich ja beruhigt«, seufzte die Frau erleichtert. »Dann setzen Sie sich doch. Es ist sicherlich anregend, wenn ich mich mal mit jemand anders unterhalte als mit Moira. Machst du uns bitte einen Tee? Sie mögen doch Tee, oder?«
Grace stand immer noch wie angewurzelt da. »Und Sie, Sie sind Misses ...?«, fragte sie schließlich, obwohl sich ihre Zunge so pelzig anfühlte, dass ihr das Reden schwerfiel.
Doch wieder unterbrach Moira sie hastig. »Das ist Misses Alma Vaughn.«
»Ach so, Sie sind Misses Alma Vaughn«, wiederholte Grace tonlos.
»Moira, nun steh doch nicht so da und starre die Dame an wie einen Geist. Kommen Sie, junge Frau, ich möchte mit Ihnen plaudern und ...«
»Die Dame interessiert sich für deine Familiengeschichte. Ich habe ihr das Wichtigste bereits erzählt«, unterbrach Moira erneut das Gespräch.« Dann wandte sie sich drohend an Grace. »Wollten Sie nicht gerade gehen?«
Grace funkelte nicht minder wütend zurück.
»Nein, ich habe das Ende der Geschichte noch gar nicht gehört. Sie hatten mir nur von Barbra erzählt. Ja, genau, von ihrem siebzehnten Geburtstag, als sie sich mit Thomas Leyland verlobt hat.«
»Ach ja, Vater«, seufzte Deborah, oder Alma, wie sie sich heute nannte, verträumt. »Damals war Mutter so rasend in ihn verliebt. Ich meine, Vater war aber auch ein Charmeur. Ich habe ihn später viel zu selten zu Gesicht bekommen. Mutter hat das, so oft sie konnte, verhindert, aber ich war gern bei ihm. Im Gegensatz zu Suzie. Sie hat ihn verurteilt, weil Mutter ihn doch so gehasst hat. Dass ich ihn vergötterte, durfte ich ihr gegenüber natürlich nicht zugeben.« Sie lächelte beseelt und schien in ihrer Erinnerung förmlich in die Vergangenheit abzutauchen. »Ich habe mir als Kind immer gewünscht, dass der Mann, den ich einmal heirate, auch so blendend aussieht und mindestens ebenso charmant ist wie mein Vater. Und wissen Sie was? Ich hatte Glück. Mein Mann war genauso attraktiv. Suzie hat mich wegen meines Faibles für gut aussehende Männer immer geneckt, weil sie meinte, es käme auf die inneren Werte an. Pah, aber sie war schon immer ein fürchterlicher Blaustrumpf. Sie hat keinem Mann schöne Augen gemacht, bis ...« Deborah verstummte plötzlich, und der kindliche Ausdruck in ihrem Gesicht verwandelte sich in den verbitterten Blick einer zutiefst enttäuschten Frau. Hatte sie auf Grace eben noch den mädchenhaften Eindruck einer Frau gemacht, die nie erwachsen werden wollte und unbeschwert drauf losplapperte, wirkte sie nun wie ein Mensch, der viel Leid hatte erfahren müssen. Nur eines konnte sich Grace beim besten Willen immer noch nicht vorstellen: Dass diese völlig fremde Frau ihre Mutter sein sollte!
»Alma, ich glaube, du solltest dich noch ein wenig hinlegen. Du hast nicht einmal eine Stunde geschlafen«, mahnte Moira streng.
»Behandle mich nicht immer wie ein Kleinkind«, murrte Deborah. »Und mach endlich den Tee für die Dame von der Kirche. Vielleicht haben wir noch welche von den guten englischen Keksen. Sie mögen doch Kekse, Misses ... Wie war noch gleich Ihr Name? Ich glaube, ich habe ihn vergessen. Es ist schrecklich. Ich vergesse immer alles. Das ist entsetzlich, wenn man gar nicht mehr weiß, was man holen wollte, wenn man in die Küche gegangen ist.«
»Ich hatte mich Ihnen noch gar nicht vorgestellt, aber ich bin ...« Grace
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