Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
keinen einzigen Tag bereut, sich für ein Leben als Ehefrau und Mutter entschieden zu haben. Daran änderte auch nichts, dass die Sammlung ihrer Eltern nun im Keller vor sich hin gammelte. Sie hatte die alten Knochen eigentlich Professor Leyland, Thomas' Vater, schenken wollen, aber der war inzwischen nach Australien gegangen.
Barbra seufzte tief. Was sollte sie nur mit Norma anfangen? Sie konnte sie und das Kind doch schlecht hier wohnen lassen, wenn Thomas wieder zuhause war. Der brauchte seine Ruhe, und außerdem konnte er Norma nicht allzu gut leiden. Er verstand partout nicht, dass sie sich von Alexander so schlecht behandeln ließ. Sie scheint das Leiden zu pflegen, bemerkte er manchmal recht spöttisch. Wenn Dad doch bloß noch leben würde, dachte Barbra betrübt. Ja, sein plötzlicher Herztod war ein schwerer Schlag für sie gewesen. Er war ihr in den letzten Jahren ein echter Vater geworden. Nun aber hauste der schreckliche Alexander in Milton und wirtschaftete langsam, aber sicher die schöne Farm zugrunde. Aber ich kann sie doch auch nicht zurückschicken zu ihrem Mann, dachte Barbra zweifelnd. Wieder seufzte sie tief. Für ein oder zwei Nächte können sie erst einmal hierbleiben, dann müssen wir weitersehen, entschied sie.
Barbra deckte Norma fürsorglich mit einer Wolldecke zu und ging in die Küche. Ein warmes Essen würde allen guttun. Sie wollte gerade mit dem Kochen anfangen, als es an der Tür klingelte. Barbra nahm hastig ihre Schürze ab und öffnete. Vor ihr stand eine fremde Frau. Sie war zierlich, hatte blonde Locken und ein spitzes Gesicht. Barbra konnte sich nicht helfen, die Frau war ihr nicht sympathisch, auch wenn sie das entfernte Gefühl hatte, ihr schon einmal begegnet zu sein.
»Sie wünschen?«, fragte Barbra.
»Aber kennst du mich denn nicht mehr?«
Jetzt erst sah Barbra, dass die Frau rot verweinte Augen hatte. Aber erinnern, wo sie diese Frau schon einmal gesehen hatte, konnte sie sich beim besten Willen nicht.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie höflich.
Ehe sich's Barbra versah, hatte sich die Frau bereits schluchzend an ihre Brust geworfen. Barbra war das sehr unangenehm, aber sie wusste nicht, wie sie sich dieser Annäherung erwehren sollte, ohne diese Person grob von sich zu stoßen. Nun aber trat die Frau einen Schritt zurück und musterte Barbra skeptisch. »Du hast wirklich keine Ahnung, wer ich bin, nicht wahr?«
»Nein, es tut mir leid.«
»Ich bin Julia, früher Julia Cunnigham, Helens ältere Schwester.«
Barbra zuckte unwillkürlich zusammen. Sie hatte Helen völlig aus den Augen verloren und demnach auch nie mehr etwas über Julia erfahren. Und das war ihr auch ganz recht gewesen. Trotzdem bemühte sie sich, freundlich zu bleiben. Dabei war sie nicht sonderlich erpicht darauf, der ehemaligen Freundin ihres Mannes zu begegnen.
»Oh, das hätte ich nicht gewusst. Ich meine, es ist lange her, und wir haben uns ja nicht so oft gesehen«, sagte sie zögernd. »Willst du hereinkommen?«, fragte sie schließlich aus reiner Höflichkeit, denn eine innere Stimme warnte sie davor, Julia in ihr Haus zu lassen. Dieser Eindruck verstärkte sich, als Julia sich neugierig - zu neugierig für Barbras Geschmack - im Hausflur umschaute. Barbra bat sie, ihr in die Küche zu folgen, damit sie Norma nicht störten. Sie bot ihr einen Stuhl an und setzte sich ihr gegenüber. »Möchtest du etwas trinken?«
Julia verneinte und sah Barbra durchdringend an. Tränen standen ihr in den Augen. »Barbra, ich will nicht lange darum herumreden, mein Mann Randolph und dein Mann sind bei derselben Einheit im Pazifik. Ich habe heute die Nachricht erhalten, dass sie von einem Einsatz nicht zurückgekehrt sind.«
»Wer ist nicht zurückgekehrt?«, fragte Barbra, bevor ihr ein Kloß im Hals die Sprache raubte.
»Drei Kampfflugzeuge kehrten nicht zurück. In einem saß Randolph, in dem anderen ...« Sie schluchzte laut auf. »Im anderen saß Tom. Hast du denn keinen Brief bekommen?«
Barbra aber brachte kein Wort mehr heraus, sondern starrte Julia nur an wie einen Geist. Wie konnte sie einfach hier hereinspazieren und ihr so etwas mitteilen? Das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein! Sie erwartete Thomas' Rückkehr jeden Augenblick. Er hatte es ihr versprochen. Und weil es nicht sein konnte, richtete sich Barbras ganze Aufmerksamkeit auf den vertraulichen Ton, mit dem Julia von Tom sprach.
Barbra schluckte trocken. »Ich glaube das nicht. Niemals. Ich würde das fühlen. Nein, er
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