Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)

Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
Vom Netzwerk:
liebe sie doch so sehr ...«
    »Aber Ethan, das kann doch nicht ... sie wollten doch in den Garten ...«
    »Habe ich auch geglaubt. Als ich sie nicht im Garten fand, bin ich hoch zu ihrem Zimmer, und da hörte ich sie ... Sag mal, muss ich deutlicher werden?«
    Suzan schüttelte stumm den Kopf. Sie war starr vor Entsetzen. Nicht einmal weinen konnte sie. Sie blieb auf dem kalten Boden hocken, auch nachdem Ethan längst aufgestanden und ins Haus zurückgekehrt war. Sie spürte weder die Kälte noch den Wind.
    Zum ersten Mal in ihrem Leben wusste sie nicht, was sie tun sollte. Weinen, schreien, ihm eine Szene machen, ihre Schwester verprügeln? Und wenn nun doch alles nur ein Irrtum war? Ein Hirngespinst des liebeskranken Ethan?
    Schritte näherten sich. Im fahlen Schein des Mondes erkannte sie Sean. Er sah mitgenommen aus.
    »Komm ins Haus. Du holst dir den Tod«, sagte er mit verwaschener Stimme und reichte ihr seine Hand. Sein Atem stank nach Alkohol.
    »Stimmt es, was Ethan behauptet?«
    »Ich ... ich weiß nicht, was du meinst«, stammelte Sean.
    Suzan konnte dabei zusehen, wie ihm jegliche Farbe aus dem Gesicht wich.
    »Stimmt es, dass du mit meiner Schwester auf ihrem Zimmer warst?«
    »Nein ... ja ... ganz kurz, sie wollte mir alte Fotos von dir zeigen.«
    Suzan lachte schrill auf. »Für wie blöd hältst du mich eigentlich? Ethan hat euch beim Fotoangucken beobachtet.«
    Sichtlich angeschlagen ließ sich Sean neben sie auf den kalten Boden fallen. Er versuchte, ihre Hand zu nehmen, aber sie entzog sie ihm.
    »Suzie, du musst es mir glauben. Ich weiß nicht, wie das geschehen konnte. Sie hat gesagt, sie muss sich eine Jacke holen, und ich soll mitkommen. Und als wir in ihrem Zimmer ankamen, da hat sie ... sie hat einfach meine Hand genommen und unter ihr Kleid geschoben ... Suzie, bitte, ich wollte das nicht. Es wird nie wieder geschehen. Ich schwöre es dir. Ich liebe dich, und ich wollte dich eigentlich heute bitten, mich zu heiraten ... Darf ich dich trotz dieser unverzeihlichen Geschichte immer noch fragen, ob du meine Frau werden möchtest?«
    Suzan aber rappelte sich stumm vom Boden auf, eilte, ohne ihn auch nur noch eines Blickes zu würdigen, ins Haus zurück und schloss sich in ihr Zimmer ein, das sie zwei Tage und zwei Nächte nicht mehr verließ.



Dunedin, Juni 1957

 
    Voller Wehmut sah sich Suzan ein letztes Mal im Moa-Verlies um. Wenn sie etwas vermissen würde, dann ihre Sammlung. Das Einzige, was sie mit nach Wellington nehmen würde, war das Schulheft mit Antonias Geschichte.
    Sie winkte noch einmal dem Riesenmoa zu und schaltete das Licht aus. Dann schloss sie die Tür ab und überlegte, was sie wohl mit dem Schlüssel anfangen sollte. Sie versteckte ihn schließlich hinter dem Weinregal. Sie wollte verhindern, dass jemand während ihrer Abwesenheit an die Sammlung ging. Dabei hatte sie vor allem den einen im Sinn. Den einen, dessen Namen sie seit jener grässlichen Nacht im April nicht mehr in den Mund nahm. Den einen, der nur noch er bei ihr hieß. Und der von nun an in diesem Haus ungestraft ein und aus gehen würde. Jetzt, wo Deborah doch noch ihren Willen bekommen hatte.
    Mir ihrer Schwester redete Suzan seitdem nur das Nötigste. Sie konnte ihr einfach nicht verzeihen, dass sie ihr den Freund ausgespannt hatte. Deshalb hatte sich Suzans Mitleid auch in Grenzen gehalten, als er sich zunächst geweigert hatte, Deborah nach jener Nacht noch einmal wiederzusehen. Stattdessen schrieb er ihr, Suzan, täglich Briefe, die sie alle ungelesen wegwarf. Deborah hatte tagelang bitterlich geweint, und Ethan war sofort in die Rolle des Trösters geschlüpft. Barbra, die nicht wusste, was wirklich geschehen war, sondern nur mitbekam, dass beide Töchter wegen des Vogelmanns litten, hatte die Stimmung noch zusätzlich angeheizt. Ständig hatte sie gepredigt: Ihr wolltet mir ja nicht glauben, wie die Männer sind. Jetzt bekommt ihr die Quittung für eure Leichtgläubigkeit. Sie war ohnehin noch gereizter als sonst, weil sie Suzans Entscheidung, in Wellington zu studieren, als persönlichen Affront begriff.
    Suzan prüfte noch einmal, ob auch ja kein Unbefugter den Schlüssel hinter dem Weinregal finden würde. Die Vorstellung, er könne Zugang zu ihrer Sammlung haben, ließ sie frösteln. Doch so, wie es aussah, war der Schlüssel dort sicher deponiert.
    Plötzlich hörte sie ein Geräusch von der Kellertreppe her. Sie fuhr herum und erschrak. Es war zu spät, sich zu verstecken. Er hatte sie gesehen

Weitere Kostenlose Bücher