Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
sprechen, verdammt!«
»Ein einziges Mal haben wir uns noch geliebt. Es war einzigartig. Eine Nacht, in der Träume wahr wurden. Er war mir so unendlich nahe. Doch dann wurde ich unsanft in die schmutzige Realität zurückgezerrt. Wissen Sie, wie das ist? Eben noch glauben Sie, im Himmel zu sein, und schon landen Sie im freien Fall in der Hölle. Er war doch alles, was ich hatte. Ich möchte die Scheidung, hat er gesagt, und aus dem Bett gesprungen ist er. Ich möchte die Scheidung. Die Scheidung? Wissen Sie, wie weh das tut? Er hat das Haus in derselben Nacht verlassen. Ich wusste nicht, wo er war. Ich wollte mich umbringen, und wenn Ethan mich nicht Tag und Nacht bewacht hätte, ich hätte es getan. Doch dann spürte ich, dass etwas mit mir geschah. Ein Wunder war geschehen. Der Herr hatte meine Gebete erhört. Ich war in jener Nacht schwanger geworden ...« Sie stockte, stierte wieder eine Weile stur geradeaus und schien wieder in einer völlig anderen Welt zu sein.
Moira wollte etwas sagen, aber Grace zischte ihr zu: »Sie halten sich jetzt hier raus! Verstanden?« Ihr war so übel, dass sie versucht war, noch einmal vor die Tür zu rennen, aber stattdessen atmete sie ein paarmal tief durch, was sofort den Druck von ihrem Magen nahm.
»Ich habe es Ethan erzählt. Dass nun alles wieder gut wird und mein Mann zurückkommen und mich in seine Arme schließen wird. Aber mein Mann blieb verschwunden. Überall habe ich ihn gesucht. Sogar zur Evans-Villa bin ich gefahren. Er war ja dort ein häufiger Gast. Meine Schwester war nicht da an jenem Tag. Ihre Mitarbeiterin sagte mir, sie spanne mit ihrem Bekannten eine Woche im Strandhaus unserer Großmutter in Oamaru aus. Da hätte ich es wissen müssen, aber ich war zu dumm. Sie war kein Mensch, der Urlaub machte. Vor allem gab es keinen Mann in ihrem Leben. Sie ist nur einmal kurz in Wellington verheiratet gewesen. Mit einem gewissen Mister Almond, von dem sie lange geschieden war, als sie nach Dunedin zurückkehrte. Stellen Sie sich vor, sie hat uns all die Jahre niemals besucht. Sie ist erst nach Mutters Tod zurückgekehrt. Vierzehn lange Jahre hat sie uns nur Karten geschrieben. Gut, ich wusste, sie war früher einmal verliebt in meinen Mann gewesen und glaubte, ich hätte ihn ihr ausgespannt, aber ist das ein Grund, sich so lange nicht blicken zu lassen? Was sagen Sie dazu?«
Erwartungsvoll blickte Deborah Grace an. Die zuckte mit den Schultern. Sollte sie ihrer Mutter sagen, dass sie Suzan sehr gut verstehen konnte? Dass sie sich in diesem Augenblick nichts sehnlicher wünschte, als dass Suzan ihre Mutter wäre? Dass sie Deborahs Sicht der Dinge kaum ertragen konnte?
»Was haben Sie nur für schöne Augen, Miss?«, bemerkte Deborah plötzlich aus heiterem Himmel.
Grace wurde es heiß und kalt. Wenn es ihrer Mutter genauso ging wie ihr selbst, als sie das Foto ihres Vaters gesehen hatte, würde sie vielleicht doch noch die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Vielleicht war sie gar nicht so verwirrt, wie sie tat.
»Schau mal, Moira. Was sie für wunderschöne Augen hat. Ich liebe bernsteinfarbene Augen. Und dieser braune Kranz, das ist einzigartig. Wie herrlich es funkelt. Sieh doch nur, Moira.«
Grace hielt den Atem an, doch dann wandte ihre Mutter den Blick abrupt ab und erzählte weiter, als wäre nichts geschehen.
»Ethan benahm sich merkwürdig an jenem Tag, als ich ihm von meiner Schwangerschaft erzählte. Er wollte mich ins Seacliff Mental Hospital bringen. Eine Irrenanstalt. Was für ein Blödsinn! Ich war schwanger, nicht verrückt. Er hat vehement behauptet, mein Mann käme nicht zu mir zurück. Ich dachte, das sagt Ethan bestimmt nur, weil er uns auseinanderbringen will. Dabei war er doch längst mit unserer Haushaltshilfe zusammen, diesem deutschen Mädchen. Ja, sogar geheiratet hat er sie. Dabei passten sie überhaupt nicht zusammen. Ich habe ihren Namen vergessen, aber sie war ein kräftiger ländlicher Typ und schwerblütig, wie man es den Deutschen ja nachsagt. Ihr Englisch war eine Katastrophe. Das Mädchen hat ihn gebeten, er solle mich in Ruhe lassen. Ich würde die Wahrheit schon eines Tages selbst begreifen. Da wurde er wütend und hat gefragt, ob ich es denn erst mit eigenen Augen sehen müsse. Und dann hat er mich mit seinem Wagen nach Oamaru gefahren. Ja, und dann ging alles ganz schnell. Ich habe das Auto meines Mannes vor der Tür gesehen ... da habe ich mir das Jagdgewehr geschnappt, das Ethan immer im Kofferraum liegen hatte, und bin
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