Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
damit zur Strandhütte ... Ethan wollte mich festhalten, aber ich habe mich losgerissen, da ist er gestolpert ... Ich habe die Tür geöffnet, und da ...«
Sie verfiel in minutenlanges Schweigen.
Grace war vor Entsetzen stumm. Sie konnte nicht mehr still sitzen, sondern sprang auf, obwohl ihre Knie weich wie Pudding waren. Ihr Herz klopfte so laut, als wolle es gleich zerspringen.
»... da wusste ich es. Sie hatte mich verraten. Sie hatte mir geschworen, ihm nie zu sagen, dass ich damals als junges Mädchen gar nicht von ihm schwanger war. Dann erst sah ich ihren Bauch. Ich wollte das Gewehr gegen mich selbst richten, aber da schrie Ethan von draußen: ›Sean! Suzan! Sie ist bewaffnet!‹, und dann habe ich die Waffe auf sie gerichtet ... Es ging alles so schnell, und dann das viele, viele Blut ...« »Mein Gott!«, entfuhr es Grace, und sie spürte nur noch, wie ihr schwarz vor Augen wurde.
Bluff, Mitte April 2009
Das Erste, das Grace wahrnahm, als sie aus ihrer Ohnmacht erwachte, war Deborahs besorgter Blick. Sie hockte neben ihr auf dem Küchenboden und flüsterte: »Wachen Sie doch auf. Bitte, Miss, wachen Sie auf! Es tut mir so leid. Ich hätte ihnen nichts von dem vielen Blut erzählen dürfen ...«
Der Traum. Plötzlich fiel Grace der schreckliche Albtraum ein, der sie so oft nachts gequält hatte. Der Traum, wie sie im Blut gewatet war.
Sie zuckte zusammen, als Deborah ihr zärtlich über die Wange strich.
»Ich hätte Ihnen meine Geschichte nicht erzählen dürfen. Aber ich musste es tun. Verstehen Sie. Einmal noch musste ich darüber reden. Moira will das nicht hören. Sie sagt immer, ich habe keinen umgebracht und auch gar kein Kind.«
»Ich habe es doch nur gut gemeint«, stöhnte Moira.
Grace richtete sich langsam auf und wandte sich an Deborah. »Es ist nicht Ihre Geschichte, die mir die Besinnung geraubt hat«, log sie. »Ich bin schwanger, und da passiert so etwas schon mal.«
»Genau wie bei mir damals. Wie oft bin ich in Ohnmacht gefallen. Das glauben Sie nicht. Die Aufseherinnen waren ganz nett zu mir. Ich war froh, dass sie mich nicht nach Seacliff gebracht haben. Sie haben gedacht, ich sei verrückt, aber ich konnte ihnen das Gegenteil beweisen. Ethan, der Gute, hat noch als Zeuge im Prozess versucht, mich als verwirrt darzustellen. Und dass die Waffe einfach losgegangen sei ... Aber ich habe geschworen, dass ich im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte abgedrückt habe ...«
Grace rieselten abwechselnd kalte und heiße Schauer den Rücken hinunter.
»... ich wollte meine Strafe. Ich hatte kein Recht gehabt, das zu tun. Das Kind haben sie mir gleich nach der Geburt weggenommen. Auf meinen eigenen Wunsch hin. Ich habe gesagt, es darf niemals erfahren, was seine Mutter getan hat. Es war ein kleines Mädchen, müssen Sie wissen. Ethan und seine Frau, wie war noch gleich ihr Name? ... Ich komme nicht darauf ... egal ... jedenfalls haben sie mein Kind mitgenommen. Weit fort! Seine Frau war ganz verrückt nach der Kleinen. Sie konnte keine eigenen Kinder bekommen. Und Ethan war der einzige Mensch, dem ich noch vertrauen konnte. Er musste mir schwören, dass mein Mädchen niemals erfahren wird, wer seine Mutter ist.«
Deborah brach unvermittelt in lautes Schluchzen aus, und es kostete Grace eine schier unmenschliche Beherrschung, ihre eigenen Tränen zurückzuhalten.
»Ihre Tochter wird es sicherlich gut haben, dort, wo sie jetzt ist«, brachte sie mit belegter Stimme hervor.
Deborah hörte zu weinen auf und blickte Grace durchdringend an. »Wie alt sind Sie, Miss?«
»Achtunddreißig.« Grace hoffte, dass Deborah das Zittern in ihrer Stimme nicht wahrnahm.
»Dann sind Sie genauso alt wie meine Tochter. Im Gefängnis habe ich jeden Tag an sie gedacht. Ich hoffe so sehr, dass sie einen Mann gefunden hat, der sie liebt, und dass sie Kinder hat und glücklich ist. Und dass Ethan und dieses deutsche Mädchen ihr gute Eltern gewesen sind ...«
Grace biss sich auf die Lippen. Lange würde sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten können. Und trotzdem ging sie, ohne zu zögern, auf Deborah zu und umarmte sie. »Es ist bestimmt alles gut. Machen Sie sich keine Sorgen«, raunte sie heiser.
»Sie sind eine besondere junge Frau«, flüsterte Deborah. »Ich wünsche Ihnen und Ihrem Baby alles Glück dieser Welt.«
Nun konnte Grace nichts mehr dagegen tun. Stumme Tränen rannen ihr über das Gesicht. Sie setzte sich leise zurück auf ihren Stuhl und hoffte, ihre Tränen würden sie nicht
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