Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
Nur für den Weihnachtspudding.«
Ida Wayne lächelte verkniffen. »Ich habe gleich gesagt, Kindchen, versuch es doch mal mit einem eigenen Rezept. Schön, dass du das umgesetzt hast.«
»Ja, dann würde ich sagen: Ein Prosit auf die junge Köchin«, fügte Charles schmeichelnd hinzu.
»Ja, erheben wir das Glas auf unsere Perle«, ergänzte sein Vater.
Selma wusste vor lauter Verlegenheit gar nicht, wohin sie schauen sollte. Ihr war das unendlich peinlich, von sieben Menschen neugierig angestarrt zu werden. Sie hoffte inständig, dass dieser Auftritt ein rasches Ende finden würde. Unter größter Anstrengung gelang es Selma, ein Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern. Sie hoffte, es wäre nun überstanden, aber Charles legte noch einmal nach. »Auf unsere Perle!«
Selmas Verlegenheit schlug in Wut um. Die Situation war unwürdig. Sie stand da völlig verloren am Tisch, während die Herrschaften auf ihren Stühlen hockten und sie angafften.
»Ich glaube, ihr solltet Selma jetzt entschuldigen. Schließlich ist heute Weihnachten, und sie möchte sicherlich nicht die ganze Nacht in der Küche stehen«, hörte sie nun Damon sagen. Als könnte er wieder einmal ihre Gedanken lesen.
Sie warf ihm einen dankbaren Blick zu.
»Ja, gehen Sie nur«, zischelte Misses Wayne.
Das ließ sich Selma nicht zweimal sagen.
»Hast du ein Gespenst gesehen, oder hat Misses Wayne dich vor allen runtergeputzt?«, wurde sie von Mama Maata in der Küche neugierig empfangen.
»Nein, ich bin es nur nicht gewohnt, so herablassend behandelt zu werden«, erwiderte Selma, und sie spürte, wie ihre Augen feucht wurden.
»Dir bleibt leider gar nichts anderes übrig, Kindchen«, erklärte Mama Maata tröstend. »Was meinst du, was ich als junges Mädchen habe ausstehen müssen? In meiner ersten Pakeha-Familie. Die haben mich wie eine Sklavin gehalten, aber ich konnte weglaufen. Und dann kam ich zu einer Familie, bei der der Sohn des Hauses glaubte, ich stände auch ihm zur Verfügung ...«
Mama Maata stockte und musterte Selma nun prüfend. »Heißt der wahre Grund deiner Niedergeschlagenheit vielleicht Mister Charles? Was ist da vorhin zwischen euch geschehen? Gibt es etwas, das ich wissen sollte?«
»Nein, ich, nein, es war doch nur, weil ich unter dem Mistelzweig stand«, stammelte Selma.
»Du willst mir doch nicht sagen, er hätte dich geküsst?«
»Doch, ja, aber ich ...«
»Kindchen, ich kann dir nur raten: Halte dich von ihm fern! Wenn du dich mit ihm einlässt, bist du verloren. Ich habe mich, als mir dergleichen widerfahren ist, der Missy anvertraut, der Mutter des Unholds, und die hat ihrem Sohn den Kopf gewaschen. Der hat nicht einmal mehr gewagt, in meine Richtung zu gucken. Aber von Misses Wayne kannst du dererlei kluges Verhalten nicht erwarten. Der solltest du dich nicht anvertrauen. Die würde dir ohnehin kein Wort glauben, denn alles, was Charles macht, ist wohlgetan. Er hat schon einiges auf dem Kerbholz. Glaube mir, der meint es nicht aufrichtig mit dir.«
Selma hörte Mama Maata gar nicht mehr richtig zu. Was ging sie Mister Charles an? Er hatte sie frecherweise unter dem Mistelzweig geküsst. Na und? Dafür hatte sie ihm eine Ohrfeige verpasst. Das Gefühl, nicht mehr selbst über ihr Leben bestimmen zu können und die damit verbundene Traurigkeit überkamen sie mit aller Macht. Sie konnte ihre Tränen gerade noch unterdrücken, aber in ihr weinte alles. Will, dachte sie, Will.
Mama Maata legte tröstend den Arm um ihre Schulter. »Komm, Kindchen, geh in dein Zimmer. Ich erledige den Abwasch und putze die Küche.«
»Das kommt gar nicht in Frage«, protestierte Selma energisch. »Ich werde das hier erledigen, und du ruhst dich aus. Glaube mir, mich lenkt die Arbeit von meinen düsteren Gedanken ab.«
Mama Maata zögerte, aber dann nahm sie das Angebot dankend an, denn sie war müde, sehr müde sogar.
Eifrig machte sich Selma an das schmutzige Geschirr, aber ihre Gedanken kamen nicht zur Ruhe. Wie würde sie jetzt wohl Weihnachten feiern, wenn Will noch am Leben wäre? Auf jeden Fall als meine eigene Herrin!, dachte Selma wehmütig.
Sie war gerade mit allem fertig und hatte sich in der blitzsauberen Küche auf einen Stuhl fallen lassen, als Charles seinen Kopf zur Tür hineinsteckte. Wie immer schien er allerbester Laune zu sein.
»Schön, dass ich dich noch treffe.« Er trat in die Küche und holte eine Flasche hinter seinem Rücken hervor.
»Schau, das ist Champagner. Den hat Vater über das Handelshaus Adison
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