Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
Lächeln zu schenken. Sie stieß noch einen tiefen Seufzer aus.
»Barry, du bist unmöglich!«
»Ja, mehr davon. Beleidige mich, beschimpfe mich. Ich habe es verdient. Nur bitte, erteile mir keine Abfuhr. Lass es uns versuchen!«
»Ich werde auf keinen Fall in deine Wohngemeinschaft ziehen, sondern bei Suzan wohnen bleiben. Für die zwei Monate lohnt sich kein Umzug«, stöhnte Grace.
»Alles, was du willst. Hauptsache, du gibst mir noch eine Chance, dir zu zeigen, dass du nicht umsonst nach Neuseeland gereist bist. Aber sag mal ehrlich, die Vogeltante ist ja wohl zum Fürchten. Ich meine, von ihrer ganzen Art her und wie gruselig die aussieht. Ob die immer schon so war? Auch bevor sie diese Verletzungen erlitten hat? Weißt du, was sie so zugerichtet hat?«
In diesem Augenblick trat Marco an den Tisch und fragte nach ihren Wünschen. Grace nahm noch ein Glas Wein. Zu essen bestellte sie sich gar nichts, denn sie hatte keinen Appetit mehr.
Barry schien mit sich zu kämpfen, was er trinken sollte, doch dann fragte er grinsend: »Ein Speights schadet doch nichts, was, Marco?«
»Auch keine zwei, Alter. Hauptsache, du erscheinst morgen pünktlich und in alter Frische zur Arbeit.«
»Na klar. Ich kann doch meine Fans nicht enttäuschen.« Er winkte ein paar jungen Frauen an einem der anderen Tische. Marco wandte sich Grace zu.
»Und du willst wirklich nichts essen?«
Sie schüttelte den Kopf. Ihr war ausschließlich nach trinken. Das Gespräch mit Barry missfiel ihr. Allein dass Hori als Ratgeber für seinen Bruder fungierte und sich offenbar nicht annähernd für sie interessierte, bereitete ihr schlechte Laune, und wie Barry über Suzan redete, das machte sie regelrecht zornig. Sie hatte das unbedingte Bedürfnis, sie verteidigen zu müssen.
»Suzan Almond ist eine großartige Frau, und ich werde bei ihr wohnen bleiben, solange ich in Neuseeland bin, denn wir können eine Menge voneinander lernen. Und ich finde es nicht fair, sie wegen ihres entstellten Gesichtes zu verurteilen. Sie ist doch deshalb noch lange kein Monster.«
Außerdem erzählt sie spannende Familiengeschichten, fügte Grace in Gedanken hinzu.
»Na gut, das ist vielleicht ganz praktisch, wenn ihr beiden Lehrerinnen ...«
»Weder Misses Almond noch ich sind Lehrerinnen. Und wenn du immer noch nicht begriffen hast, was ich beruflich mache, dann sollten wir ...«
Barry unterbrach sie durch ein herzliches Lachen. »Süße, das war doch ein Witz. Natürlich weiß ich, was du so machst. Hori hat nämlich total davon geschwärmt. Ihr forscht darüber, ob es meine Ahnen waren, die dem Moa den Garaus gemacht haben, oder?«
Wider Willen musste Grace lächeln.
»So ähnlich, ja, aber nun mal im Ernst. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt noch eine Beziehung zu dir möchte, Barry.«
»Aber Süße, das kannst du mir nicht antun!«, rief Barry bestürzt aus. »Du bist doch mein Mädchen.«
»Aber es hat doch keinen Sinn. Ich werde in spätestens zwei Monaten wieder in Deutschland sein.«
»Und warum bist du denn überhaupt erst gekommen?« Das klang beleidigt.
»Es waren unter anderem deine wunderschönen Briefe.«
»Das sagt Hori auch immer. Ich kann besser schreiben als reden.«
»Bitte, Barry, lass es mich noch einmal überdenken. Ich melde mich bei dir.«
Barry sah sie durchdringend an, nahm ihre Hand und streichelte sie zart.
»Komm, Süße, lass uns an die frische Luft gehen. Ich kenne da einen schönen Platz.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, sprang Barry auf und zog sie vom Stuhl. Sie folgte ihm zögerlich. Sie verließen das Restaurant, ohne sich von Marco zu verabschieden. Barry steuerte auf einen Pick-up zu, der Grace entfernt bekannt vorkam.
»Ist das nicht das Auto von Lucy?«
Barry nickte und ließ sie einsteigen.
»Wohin fahren wir?«
»Lass dich überraschen.«
Grace widersprach ihm nicht, sondern sah schweigend aus dem Fenster. Sie fuhren aus der Stadt hinaus, und plötzlich kam ihr das, was dort draußen an ihnen vorüberzog, seltsam bekannt vor. Das war genau die Küstenstraße, die sie gestern mit Suzan gefahren war. Und da tauchte vor ihnen auch schon Macandrew Bay auf. Barry aber hielt sich links und stoppte ein Stück außerhalb des Ortes direkt am Wasser. Außer ihnen war keine Menschenseele dort.
»Was hast du vor?«, fragte Grace, ein wenig verärgert darüber, dass er sie im Unklaren über ihr Ziel ließ.
Er deutete auf ein Bootshaus, das auf Stelzen ins Wasser gebaut war.
»Komm schnell. Nicht dass wir den
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