Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
kenne ich meinen Charles ja gar nicht. Doch lies selbst: ›Liebe Mutter, die Trauung mit Luisa soll gleich nach meiner Rückkehr stattfinden. Wir wollen das große Fest dann lieber später feiern ... ‹«
»Sie wird das prächtigste weiße Brautkleid bekommen, das Dunedin je gesehen hat.«
»Genau, da werden die Herrschaften auf Larnach Castle vor Neid erblassen. Sie haben den größten Ballsaal weit und breit, aber wir feiern die größte Hochzeit auf der ganzen Südinsel.« Dorothy lachte triumphierend auf. Dann verstummte sie.
»Sie hat mir verraten, warum es so schnell gehen muss. Dir kann ich es ja sagen, aber bitte verrat es den Männern nicht. Gerald ist in der Hinsicht ziemlich altmodisch. Ich meine, ich auch, aber wenn ich mir vorstelle, wir haben bald ein süßes kleines ...«
»Du meinst, wir können uns bald auf ein Enkelkind freuen? Das wäre wunderbar! Aber das würde bedeuten, dass sie sich bereits an Weihnachten näherkamen, wo sie so taten, als würden sie sich gar nicht näher kennen ...« Misses Wayne stockte und brach in lautes Gekicher aus.
Selma hörte dieses schrille Kichern, das in ihren Ohren immer leiser wurde, bis es klang, als wäre es aus einer anderen Welt. Dann war alles still. Selma war auf dem Flurboden zusammengesackt.
Damon beugte sich erschrocken über sie und streichelte ihr über das totenbleiche Gesicht.
»Selma, bitte wachen Sie auf«, flehte er leise, damit seine Mutter und deren Freundin nicht auf sie aufmerksam wurden und Selma womöglich am Boden liegen sahen.
Zu seiner großen Erleichterung schlug sie die Augen schon wieder auf.
Im ersten Moment war Selma verwirrt und konnte sich nicht daran entsinnen, was mit ihr geschehen war, doch dann dämmerte es ihr.
»Er wird eine andere heiraten, nicht wahr?«, fragte sie unter Mühen. Ihr Mund war so trocken, dass sie kaum sprechen konnte.
Damon nickte und half ihr beim Aufstehen. Dann hakte er sie unter und führte sie zu ihrem Zimmer.
An der Tür wollte sie sich von ihm verabschieden, aber er machte keinerlei Anstalten zu gehen. Wortlos folgte er ihr.
Ihr Zimmer war karg eingerichtet. Dort standen nur ein Bett, ein Kleiderschrank und ein Tisch mit zwei Stühlen.
»Setzen Sie sich«, befahl er ihr. »Sie wollen doch nicht noch einmal umkippen, oder?«
Selma schüttelte den Kopf. Sie fühlte sich wie betäubt. Nicht einmal weinen konnte sie.
»Es tut mir leid, dass ich zu diesem Mittel greifen musste, aber Sie hätten mir sonst nicht geglaubt.«
»Ich hätte Ihnen nicht geglaubt«, echote Selma. In ihr war nichts als Leere.
»Selma, bitte, hören Sie mir zu! Ich muss Ihnen etwas sagen.« Er sah sie liebevoll an.
Sie aber starrte nur stumm zur Wand. »Ich muss fort von hier. Schnell fort«, murmelte sie schließlich. Hastig erhob sie sich, trat auf den Kleiderschrank zu und riss ihre Kleider heraus, bis Damon auf sie zutrat und in die Arme nahm.
»Ich muss fort«, stöhnte sie, doch er flüsterte: »Pscht, kleine Selma, nicht so etwas sagen!«
Je fester er sie an sich drückte, desto trauriger wurde sie. Endlich konnte sie weinen.
Er wiegte sie zärtlich in seinen Armen.
Erst als sie sich aus seiner Umarmung löste und ihn aus großen verheulten Augen ansah, sagte er leise: »Sie werden nicht von hier weggehen. Hören Sie? Sie bleiben hier.«
»Aber wie können sein Kind und ich mit ihm und seiner Familie unter einem Dach leben? Ihre Mutter wird mich auf die Straße setzen. Stellen Sie sich vor, sie erfahren, dass er uns beide zur selben Zeit geschwängert hat. Dann gehe ich lieber freiwillig, bevor ich mich wie einen räudigen Hund fortjagen lasse. Ich werde mich schon irgendwie durchschlagen.«
»Kleine tapfere Selma, ich weiß, dass Sie das könnten, aber Sie müssen es nicht. Ihr sollt ein gutes Leben haben, ihr beiden.«
»Aber wie?«
Er sah sie durchdringend an. »Wissen Sie wirklich nicht, wie ich es meine?« In seinen Augen las Selma nichts als Liebe.
»Sie würden sich um uns kümmern?«, fragte sie ungläubig.
»Ja, ich würde Sie gern heiraten.«
»Aber ... aber, das geht doch nicht. Charles würde nie erlauben, dass wir mit seinem Kind unter seinem Dach ...«
»Ich habe bereits vor geraumer Zeit ein Haus in Dunedin gekauft. Es war eigentlich viel zu groß für einen Junggesellen wie mich, aber nun bekommt alles einen Sinn. Der Garten ist riesig. Ideal für Kinder. Ja, schauen Sie nicht so, ich will noch mehr davon.«
»Aber, sie werden es nicht dulden, dass Sie mit seinem Kind
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