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Das Geheimnis des Nostradamus

Das Geheimnis des Nostradamus

Titel: Das Geheimnis des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Flacke
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schneeweiße Narbe zog sich von seiner Stirn über die hohen Wangenknochen bis zum Kinn hinab. »Sieh mal an, wer will denn da was von mir?«
    Ein dickliches Weib lehnte plötzlich im Türrahmen und verschränkte herausfordernd die schwammigen Arme über der Brust. »Verschwinde, du Bettelgöre!«, keifte sie. Ein kleines, mopsiges Kind tapste aus dem Hausflur und klammerte sich mit schmuddeligen Händen an ihr Kleid. »Mit Gesindel haben wir nichts zu schaffen!«
    Marie schluckte. Trug sie nicht die ausgebleichte Schürze von Mama? Und die Schnürschuhe! Die hatte Papa doch aus dem Rinderleder gefertigt, das er auf dem Viehmarkt für ein paar Sous erstanden hatte!
    »Aber das ist mein Haus!«, fuhr Marie sie an. »Meine Eltern haben hier gewohnt!«
    »So? Sieh mal einer an!« Der Gedrungene verzog die dünnen Lippen zu einem höhnischen Grinsen. Faulige Zahnstummel schimmerten braun zwischen seinen Lippen hervor. »Deine Eltern? Und wo sind sie jetzt?«
    »Verschwinde! Zum letzten Mal!«, kreischte das Weib. »César?« Auf ihr Rufen hin war ein dumpfes Knurren zu hören. Ein braunscheckiger Straßenköter mit speckigem Körper stand in der Tür. Spucke tropfte von seinen schwarz schimmernden Lefzen. Seine feuchte Nase schien Witterung aufgenommen zu haben. »Na, was ist? Oder soll ich den Hund auf dich hetzen?«
    Marie schloss die Augen. Sie glaubte eine unsichtbare Hand zu spüren, die ihr erbarmungslos die Kehle zudrückte. Warum ließ Gott das zu?, dachte sie. Wo war die Gerechtigkeit des Himmels? Sollte ihr nicht die kleinste Erinnerung an ihre Liebsten bleiben?
    »Verschwinde!« Das Mannsbild fasste nach einem Knüppel und humpelte auf sie zu, während der kurzhaarige Köter lauernd neben ihm hertänzelte.
    »Ich werde gehen!«, rief Marie mit ungeahnter Selbstsicherheit. Das Haar fiel ihr wirr über die Schultern. Breitbeinig stand sie da und streckte ihnen drohend den Zeigefinger entgegen. »Aber ich beschwöre die Seelen meiner toten Ahnen, die noch nicht den Weg durch den lichten Tunnel ins Paradies gefunden haben! Ich beschwöre sie, dass sie Euch keine Nacht Ruhe finden lassen, dass sie Euch bis in Eure finstersten Träume verfolgen und am Tage…«
    Im gleichen Moment krachte der Fensterladen zu Boden, den der Humpelnde eben erst befestigt hatte. Sein Weib fuhr erschrocken zusammen, bekreuzigte sich hastig und fuhr ihrem Kind verunsichert durchs Haar. Marie warf ihnen einen vernichtenden Blick zu. Dann ging sie hoch erhobenen Hauptes davon.
     
     
    Kaum brannten am Abend in Agen die ersten Pechfackeln und warfen tanzende Lichtflecken auf das Kopfsteinpflaster, da schlichen zwei vermummte Gestalten an den Hauswänden entlang. Die Kleinere führte am Zügel einen Maulesel, der schwer bepackt war. Die andere zog eine Handkarre, auf der Kisten und Kästen festgezurrt waren. Nostradamus und Marie wollten im Schutz der Dunkelheit die Stadt verlassen, wusste doch niemand, ob ein Spitzel der Inquisition ihnen auflauerte. Der Stadtbrunnen lag im Mondlicht wie ein steinernes Mahnmal, das einen düsteren Schatten warf. Marie schaute mit einem letzten sehnsüchtigen Blick in die Gasse, die zu ihrem windschiefen Haus führte. Sie würde wiederkommen. Ganz bestimmt würde sie wiederkommen!
    Am Stadttor wurden sie von Monsieur Grillier schon erwartet. Um diese Zeit war er der einzige Posten, der hier Wache hielt. Leise hob er den Holzbalken hoch, der vor den Flügeltüren in Eisenhalterungen lag, und drückte die schweren Eichentore auf.
    »Ich wünsche Euch eine glückliche Zukunft«, raunte er Nostradamus zu. »Und dir auch, Marie! Von ganzem Herzen! Ich werde Ausschau nach Erinnerungsstücken von deinen Eltern halten und alles für dich aufbewahren.«
    Grillier spürte ein leichtes Zucken in den Augenwinkeln, als Marie ihn zum Abschied umarmte. Er fühlte ihre junge Haut, ihren erhitzten Atem und ihren unbezähmbaren Willen. Verstohlen wischte er sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Hoffentlich würde sie einen guten Ehemann finden, der sie nicht allzu sehr züchtigte.

Leise schloss er wieder das Stadttor und die beiden gingen im Lichte des Vollmondes, der bizarre Schatten aus den Pinienwäldern wachsen ließ, in Richtung Süden, wohin ihr Weg sie führen sollte. Das Knirschen der Steinchen unter ihren Schritten verhallte allmählich in der Nacht. Ein Käuzchen schrie auf, ein Nachttier verschwand unter raschelnden Büschen, dann war es still.
    Der Krieg im Süden der Provence gegen den deutschen Kaiser Karl V.

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