Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)
Zwergchamäleon oder von der Argentinischen Ruderente, bezaubernde Tiere, deren Existenz weitgehend unbekannt ist, weil die Viecher weder zu Mord und Totschlag neigen noch zu Betrug, Diebstahl, Hirntumor oder Raubmord. Nicht mal Seuchen übertragen sie! So etwas hat in unseren Nachrichten nichts verloren, es sei denn, es ist überhaupt nichts passiert und die letzte Rettung der Medienwelt heißt Tränendrücken. Auch das gibt es, aber erst nachdem neben Zweiklassenmedizin, Diätenerhöhung und Magersucht alle Notfallthemen abgefrühstückt sind. Der Toaster klackt und wirft die Brote aus. Hoffentlich sind sie nicht krebserregend. War da nicht irgendetwas mit Acrylamid?
Wenn man die Zeitungen aufmerksam liest und alles aufsaugt, was auf dieser Welt an Bemerkenswertem passiert ist, wird man schnell krank. Diagnose: Datenvergiftung. Infoüberdosis. Was wäre ein Tag ohne Fixing an der Frankfurter Börse? Ohne Bundespressekonferenz, Transfergerüchte, Grippeangst oder Schuldenbremse, auf die ohnehin niemand treten wird, weil sie kein Pedal hat?
Virtuelles Umblättern. Ja gibt’s denn so was!? Der Euro geht den Bach runter. Das kann passieren. Man weiß aber noch nicht, woran er zugrunde gehen wird, wahrscheinlich an der Inflation. Vielleicht aber auch an der Deflation. Momentan werden Inflationsängste bevorzugt genommen. Modesache. Die Kurse für Inflationsängste steigen. Im Wirtschaftsteil wird empfohlen, in Inflationsängste zu investieren. Derivate! Sichern Sie sich ab mit Derivaten.Oder Derivaten von Derivaten. Die Wirtschaftsweisen sind sich einig: Inflation ist unvermeidbar.
Ich halte mich nicht an die Empfehlungen meiner Bank. Ich bezweifle ihren Nutzen, weil ich mir eine Frage nicht beantworten kann: Wenn sich das Papier, das die Bank empfiehlt, rechnet, warum behält sie es dann nicht selbst? Kann es sein, dass Banken nur solche Investitionen an ihre Kunden weitergeben, die sie selber loswerden wollen? Nein, das kann nicht sein. Das sind doch nette Leute!
Sollte man nicht ein bisschen mehr Vertrauen haben? Nein. Die Banken wissen auch nicht mehr als Sie. Kein Banker weiß, wie sich die Aktienkurse entwickeln. Sonst wäre er nicht bei der Bank, sondern würde auf eigene Rechnung handeln. Die Bank kann Sie gar nicht übers Ohr hauen. Dafür verstehen ihre Insassen zu wenig vom Geschäft.
Dasselbe gilt für unsere Wirtschaftsweisen. Wenn sie wüssten, wie sich die Wirtschaft entwickelt, würden sie nicht in Instituten sitzen, sondern zu Hause am Computer, wo sie über das Onlinebrokerportal ihre Millionen scheffelten. Sie können es nicht. Unsere Wirtschaftsweisen haben noch nie etwas richtig vorhergesehen. Wirtschaftsweise sehen nicht in die Zukunft. Sie rechnen die Vergangenheit hoch. Als bester Experte gilt derjenige, der mit seiner Raterei am nächsten an der wirklichen Entwicklung dran war. Das ist dasselbe, als würde man einen Lottogewinner für einen Experten halten und ihn deshalb nach den Zahlen der nächsten Woche fragen, im sicheren Glauben, er wüsste Bescheid.
Wirtschaftsweise wissen nichts. Deshalb kommen sie zu Ergebnissen, an die sich die Realität leider selten hält. Immobilienblasen, Finanzkrisen, Subprime-Kreditzusammenbrüche, Schuldenkrisen, Eurorettung, nichts haben Ökonomen jemals im Vorhinein erkannt.
Ökonomen sind Hellseher, die statt Glaskugeln Aktiencharts benutzen. Sie leben von sinnlosen Informationen, die sie mit wissendem Blick über die Gläubigen ausgießen wie der Heilige Geist seine Feuerzungen an Pfingsten. Es ist kein Zufall, dass die Börse Pfingsten geschlossen hat. Die Insider taumeln im Dunkeln und simulieren Kenntnis. Dann liest man: Die schlechten Vorgaben an der Wall Street und das Tiefdruckgebiet über dem Sauerland führen zu schauerartigen Niederschlägen an der Frankfurter Börse. Griechenland soll verboten werden. Der Kommentar: Das wurde auch Zeit. Rhodos wird verkauft. Der Olymp vermietet. Und die Akropolis geht an die Börse. Eine Immobilie ohne Dach und ohne Heizung! Aber die Lage! Vielleicht wird Griechenland auch versenkt. Im Mittelmeer. Journalisten warnen vor einem Tsunami! Sehr gefährlich!
Man begreift das alles nicht mehr. Man legt die Zeitung beiseite und hat alles schon wieder vergessen: Wurde der Trainer entlassen oder erschossen? Ist dabei Strahlung ausgetreten? Wurden Bäume gefällt? Ist der Juchtenkäfer in Gefahr? Oder das madegassische Zwergchamäleon? Oder die argentinische Ruderente? Oder die letzten Brutstätten des
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