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Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Nuhr
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oder mischen Kräuter. Wenn dann ihr Hirn außer Tritt gerät, glauben sie an die Existenz des großen Wakawaka. Das beruht – wie jede Religion – auf falscher Bewertung von Ursache und Wirkung. Pflanzen, Qualm, Saft und Kräuter wirken per Stoffwechsel, nicht auf dem Umweg über Geister oder Götter.
    Wenn es im Hirn rumort, kommt das oft von Sauerstoffmangel oder Alkohol, Tetrahydrocannabinol oder sonst einer widrigen Substanz, die in den Schädel normalerweise gar nicht hineingehört. Der liebe Gott hat damit nichts zu tun.
    Keiner kennt den großen Wakawaka. Und niemand weiß, wie viele große Wakawakas es gibt, ob sie gut oder böse sind, männlich oder weiblich, Single oder in Beziehung lebend, langweilig, farbenblind oder autistisch. Letzteres halte ich übrigens für sehr wahrscheinlich, denn könnte man sich Gott nicht am ehesten als ein Genie mit Inselbegabung vorstellen, dem die Empathiefähigkeit fehlt?
    Viele Leute unterscheiden ja zwischen Chemie und Natur. Ich nicht, denn auch die Chemie ist Teil der Natur. Ich wüsste zumindest keine einzige Ingredienz in Dingen wie Gumminippeln, Plastikdeckeln oder Eternitverkleidungen, die nicht zu Beginn ihres Entstehungsprozesses der Natur entnommen worden wären. Es ist ja gerade die Fähigkeit zur gezielten Umformung der Natur, die den Menschen vom Tier unterscheidet und uns schon seit Jahrhunderten auf Platz 1 der Artenweltrangliste katapultiert.
    Natürlich ist das nicht immer nur gut. Wir haben ganze Landstriche verseucht und in Brüsten und Oberlippen unserer Damenwelt Verheerungen ausgelöst. Wir haben Arten ausgerottet und Feinstaub produziert. Aber in all dem sind wir Teil der Natur. Unser Verstand ist ein Ergebnis der Evolution und was wir mit ihm anstellen, ist Teil der Entwicklung der Natur. Alles ist Teil der Schöpfung, auch der Ölförderturm oder die Plastikente.
    Steckt ein Plan dahinter? Einstein sagte: Gott würfelt nicht! Was dann? Skat? Halma? Wahrscheinlich verbrachte er seine Freizeit damit, aus Langweile Universen zu basteln, weil so ein Leben ohne Raum und Zeit eine gewisse Reizarmut mit sich brachte. Im Nichts kommt ein bisschen Seiendes immer gerade recht.
    Die Frage ist: Wie hat er das Seiende aus dem Nichts erschaffen? Entstehung aus dem Vakuum ist ja im Grunde ebenso wenig vorstellbar wie das Nichts selber. Aber auch das Ewige ist uns nicht begreifbar. Wenn aber nicht alles ewig ist, was war vorher? Also doch nichts? Vielleicht sogar gar nichts? Oder war dies ein Zustand vergleichbar mit dem Warten an einer Bushaltestelle? Also gefühltes Nichts. Endlosigkeit. Grenzenlos aber beschränkt. Der öffentliche Nahverkehr hat eine starke existentielle Komponente.
    Wir leben auf einer Insel des Seins im Ozean des Nichts. Das löst im Zweifel selbst unter Allmächtigen ein Gefühl des Verlorenseins aus. Wenn man mitten im Nichtssitzt, liegt die Idee einer Schöpfung nahe. Viele bauen dann große Eisenbahnen auf Holzplatten. Aber wenn vor der Schöpfung wirklich „nichts“ war, dann gab es ja nicht mal vorgefertigte Schienen oder Weichen, geschweige denn Bahnhöfe, kleine Plastiktannenbäumchen oder Bahnübergänge mit winzigen Schranken und Autos, deren Scheinwerfer niedervoltgetrieben leuchten. Gott musste ohne Vorlage arbeiten und ohne vorgefertigte Versatzstücke. Das hieß natürlich auch: Alles geht! Allmächtigkeit bringt immer auch Beliebigkeit mit sich.
    Wenn alles möglich ist, warum dann das eine tun, das andere lassen? Ich fürchte, Gott war mit diesem Universum unterfordert, er hat sich ein paar Naturgesetze ausgedacht und dann alles einfach hingehauen. Puff hat’s gemacht, was für ein Urknall! Dann hat sich der Schöpfer gefreut und anderen Dingen zugewendet.
    Vielleicht irre ich mich aber auch. Vielleicht war alles ganz anders. Vielleicht hat er das Universum genau so gewollt, wie es ist, unvollkommen, bröselig, improvisiert... Vielleicht versteht sich Gott als Künstler, dem die Perfektion zuwider ist. Vielleicht ist er ein durchgeknallter Freak, ein Sturkopf, eine Diva, ein Willkürherrscher, ein Tyrann, eine eigenwillige Mutter oder ein jähzorniger Misanthrop mit dem Gemüt eines brünftigen Ebers. Ich fürchte, wir werden es nie erfahren.
    Einstein hielt alles für Planung. Das meinte er mit seinem „Gott würfelt nicht.“ Aber stimmt das? Möglich. Vielleicht spielte der Schöpfer einfach lieber Schach. Aber mit wem? Mit dem Teufel? Einem Bruder? Einem Kumpel, der ebenfalls unsterblich ist? Anderen Göttern?

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