Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Spielen sie auf einem ganz normalen Feld mit 64 Feldern? Oder elfdimensional? Das übersteigt meine Vorstellungskraft. Ich kann mir ein elfdimensionales Schachspiel in einer vieldimensionalen Raumzeit nicht einmal vorstellen. Wie soll das gehen? Springt das Pferd in einer Raumzeitschleife in sich selbst zurück? Es gibt Wissenschaftler, die glauben, unsere Raumzeit hätte sogar 27 Dimensionen, die wiederum aus kleinen Schlaufen bestehen oder aus Strings. Wo steht dann der Turm?
    Ich glaube, Einstein wollte sagen, dass Gott nichts dem Zufall überlässt. Aber warum hat der Schöpfer den Zufall dann erfunden? Oder den Würfel? Wäre eine andere Welt denkbar gewesen? Ist möglicherweise jede denkbare Welt möglich, weil sie im Denken wirklich wird? Ich werde mir ein Brötchen schmieren. Dreidimensional. Aber bis dahin werde ich noch ein bisschen vor mich hingucken und überlegen. Ich habe Zeit. Ein freier Tag in einem freien Kosmos! Warum etwas übereilen, wenn die Zeit relativ ist?
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Wenn niemand drängelt und Wachsamkeit nicht nötig ist, kommen die Tagträume. Den Kopf an die Wand gelehnt schließen sich meine Augen. Eine Raumzeitschleife hat sich geöffnet und ich rutsche durch ein Loch zwischen den Strings. Ich beschließe, das Ganze als Zumutung zu betrachten, als psychologische Belastung oder Herausforderung und beginne zu begreifen, dass das Universum nur die Couch des göttlichen Therapeuten ist, der seiner Schöpfung zur Seite steht. Wahrscheinlich beruht diese grundlose Fantasie auf meiner katholischen Erziehung, die den Schöpfergott als zutraulich aber streng interpretiert.
    Ich beginne frei zu assoziieren, wie es sich bei einer amtlichen Psychoanalyse gehört. Ich habe selbst noch nie auf einer Psychologencouch gelegen, aber da ein guter Freund von mir Psychotherapeut ist, weiß ich Bescheid. Er erzählt gerne von den Kämpfen, die die Menschen mit sich selber ausfechten, in dem sie Wahnvorstellungen erzeugen, Zwangshandlungen oder Aggressionen gegen sich selbst, nur um ihrer Mutter zu zeigen, dass sie zu früh abgestillt hat. Dann entwickeln sie Träume, in denen Melonen die Hauptrolle spielen. Oder mit Wasser gefüllte schlaffe Luftballons, die eine verblüffende Ähnlichkeit zu den Brüsten ihrer welken Mütter aufweisen. Sind deshalb im Alter die Brüste der Männer oft größer als die ihrer Frauen? Ein schreckliches Bild, das ich heute mit Sicherheit nicht mehr aus dem Kopf kriegen werde …
    Vielleicht ist das aber alles viel zu kurz gedacht. Wer weiß, was so eine Melone in Wirklichkeit bedeutet? Vielleicht ist sie im entsprechenden Traum nicht das Symbol der Mutterbrust, sondern ein entlaufener, verzweifelter, einsamer Hoden, der seine Entscheidung, auf eigene Faust die Welt zu entdecken, bitter bereut. Er hat kein Geld mehr und ist des Alleinseins überdrüssig. Er möchte zurück und würde gerne weinen, verfügt aber nicht über Tränendrüsen, eine traurige Existenz.
    An dieser Stelle muss ich selbstkritisch feststellen: Da ich offenbar in der Lage bin, mir bereits frühmorgens am Küchentisch allein lebende, einsame Hoden vorzustellen, sollte ich vielleicht auch einmal einen Therapeuten aufsuchen. Ist eine Melone nicht einfach eine Melone? Auch das ist nicht auszuschließen. Vielleicht drücken lange, dicke, harte Schlangengurken und große Melonen selbst imTraum eines Teenagers im Einzelfall nur die Sehnsucht nach gesunder Ernährung aus. Zuckermelonen sind übrigens enger mit Gurken verwandt als mit Wassermelonen. Was sagt das dem Psychologen? Nichts? Gut so!
    Ich fühle mich wirr, denke aber, im dösigen Zustand ist das normal! So ist der Mensch! Ecce homo! Mit dieser Erkenntnis des Pontius Pilatus drohe ich aufzuwachen, sacke aber wieder zusammen. Da öffnen sich die Dimensionen, sie separieren sich und ordnen sich alphabetisch. Leider gibt es einige Exemplare, deren Namen mit Zahlen beginnen oder mit kyrillischen Buchstaben. Das gibt Ärger. Wer darf oben liegen?
    Ich begreife: Die Dimensionen sind zerstritten. Sie streiten über Anzahl und Reihenfolge, jede will die erste, die zweite, maximal die dritte sein. Ich werde in Folge der räumlichen und zeitlichen Verwerfungen gedehnt, gestaucht und in mich selbst gekrümmt. Das ist nicht gut für die Bandscheibe. Bandscheibenprobleme wären ohne Raum und Zeit nur halb so schlimm. Beim Übertritt in die neunte Dimension werden die Schmerzen stärker. Die elfte Dimension besteht ausschließlich aus Schmerz. In der vierzehnten gibt es