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Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Nuhr
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existiert nicht oder er geht Streitigkeiten gerne aus dem Weg. Ich hätte für beides Verständnis.
    09 48
Ich nehme mir eine Banane, um meiner äffisch-evolutionären Vergangenheit Respekt zu zollen. Meine Gedanken drehen sich immer noch um die Weltordnung. Ich frage mich, was ich tun würde, wenn ich Weltherrscher wäre. Montags wäre der ideale Tag für eine Machtübernahme, viel einfacher als freitags, wenn alle in Ruhe ins Wochenende wollen und der Bundesligaspieltag vor der Tür steht, weshalb Umsturzversuche häufig unbeachtet bleiben.
    Ich wäre gerne König! Das wäre auch für mein Volk besser als beispielsweise direkte Demokratie, wie sie heute vielerorts propagiert wird. Mein Volk will sich nicht ständig entscheiden müssen. Es will einen König, der ausgiebig frühstückt und dann gestärkt den Tag beginnt und sichüber das Wohl der Allgemeinheit Gedanken macht. Es will nicht jeden Tag zur Volksbefragung laufen. Das ewige Diskutieren ist so mühselig!
    Wer einmal an einer Eigentümerversammlung eines Mehrfamilienhauses teilgenommen hat, weiß, wovon ich rede. Man muss dazu wissen: In jeder Eigentümerversammlung ist mindestens ein Wahnsinniger! Das ist ein Naturgesetz. Der Verrückte verhindert den neuen Außenanstrich, obwohl er nach Meinung eines unabhängigen Gutachters unbedingt notwendig ist. Feuchtigkeit zieht in den Putz, Balken verrotten, auf Dauer wird die Bausubstanz irreparabel geschädigt. Warum tut der Irre das? Weil er irre ist. Sein oberstes Ziel ist nicht der Erhalt seines Besitzes, er will lediglich Herrn Kuttke im Dachgeschoss schaden. Er will verhindern, dass sich Herr Kuttke durchsetzt. Er will ihn ärgern. Ihn in den Wahnsinn treiben. Er will seinen Spaß. Den Triumph. Die Vernichtung! Wer glaubt, mit solchen Menschen eine solidarische Gesellschaft formen zu können, sollte die Tabletten absetzen.
    Direkte Demokratie ist wie eine sich ewig perpetuierende Eigentümerversammlung. Ständig werden wir entscheiden müssen, auch wenn wir keine Ahnung haben, worum es geht.
    Dabei sind wir schon mit unseren alltäglichen Entscheidungen überfordert. Das geht morgens bei den Socken los. Rot oder schwarz. Ständig muss man sich entscheiden, Hose, ja oder nein. Kaffee oder Tee. Wurst oder Käse. Arbeit oder Flucht.
    Schon als Kind musste man sich immer entscheiden, auf dem Spielplatz, wenn der Bodo kam, zwei Jahre älter als ich, stark wie eine Dampfwalze und auch geistig aufderen Niveau. Bodo stellte immer die gleiche Frage: „Ey! Wat willze!“ Ich wollte nichts. Aber ich musste mich entscheiden. Zur Wahl standen jeweils zwei Möglichkeiten: Erstens: Prügel. Oder zweitens: Mächtig auf die Fresse. Wie in der Politik. Ständig Entscheidungen. Ständig ungute Alternativen.
    Irgendwann müssen dann die ersten politischen Entscheidungen gefällt werden. Die erste Teilnahme an einer Wahl steht an! Als junger Mensch steht man fassungslos vor dem Wahlzettel. Gefühlte 105 Parteien! Die Partei bibeltreuer Ökologen steht über den lila-grün Karierten, die für einen Marxismus-Leninismus mit spiritueller Prägung eintreten. Jeder Schrumpfkopf verfügt offenbar über einen eigenen Verein! Wie soll ich mich da entscheiden? Warum gibt es keine Partei Cappucino trinkender Agnostiker? Die dann koalieren könnte mit der sozialökologischen Warmduscherpartei?
    Wahlplakate sind auch keine Hilfe. Sie wirken eher abschreckend! Grinsfressen! Lächeln aus dem Kostümverleih. Bettelnde Augen, die flehen: Nimm mich!
    Künstliche Gesichter grinsen von Plakatwänden wie die Hollywood-Schönheiten, vom Bildverarbeitungsprogramm zur Karikatur unseres Schönheitsideales entstellt. Der Wähler findet das grotesk, ist aber selber schuld. Er fordert Authentizität, aber wenn jemand auf dem Plakat so aussieht, wie er eben aussieht, dann macht er sein Kreuzchen woanders. Dann sagt der Bürger: „Wie sieht das denn aus? So etwas kann ich doch nicht wählen!“ Natürlich will der Wahlberechtigte Ehrlichkeit! Aber wenn ihm jemand die Wahrheit zeigt, dann wählt er ihn nicht. Komisch.
    Deshalb sammeln sich auf den Wahlplakaten die Zombies, die Meister der leeren Versprechungen, die Quacksalber. Und in der direkten Demokratie wird das alles nur noch schlimmer! Da werden uns die Fressen ganzjährig entgegengrinsen. Großmäuler der Welt werden sich mit Verschwörungstheoretikern, Wunderheilern, Paranoiden, Esoterikern, Religiösen, Stalinisten, Nazis, Verhaltensauffälligen und den ganzen anderen Geistesgestörten um den

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