Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

auf seinen Bauch hören!
    Ein Organ, eine Stimme, so der leicht abgewandelte Slogan aus dem Kampf der Völker gegen Kolonialismus, Rassismus und Antiorganismus.
    Wirklich wütend ist die Milz. Sie sieht sich in ihrer Funktionalität unterbewertet und besteht darauf, dass auch Organe, deren Funktion von der Medizin noch nicht endgültig geklärt sei, lebenswichtig sein könnten, dass also schon die Potenzialität einer angenommenen Lebenswichtigkeit ein emanzipiertes Mitspracherecht erfordere. „Schlussendlich“ seien wir alle gleich, so ihr emotionaler Appell! (Schlussendlich! Meine eigene Milz drückt sich offenbar gerne verquast aus!)
    Die schlummernde Unzufriedenheit weicht der Aggressivität eines zielgerichteten Kollektivs. Vor allem das Fluchen der Darmbakterien schwillt an. Es wirkt grimmig. Ich begebe mich aufs Klo. Keine Einzelheiten, nur so viel: Den Furor der abhängig Beschäftigten sollte man niemals unterschätzen!
    10 24
Ich bin wieder wach. Was war das? Sucht mich vielleicht eine der großen Plagen des 21. Jahrhunderts heim, Laktoseintoleranz? Woher der Aufruhr in meinem Inneren, der mich kurze Zeit dahinsiechen ließ?
    Milchprodukte stehen im Verdacht, für alle Übel dieser Welt verantwortlich zu sein, nicht nur für Unwohlsein, Verdauungsprobleme und Reizdarm, sondern auch für Krebs, Osteoporose, Übergewicht sowie Verspätungen im öffentlichen Nahverkehr durch Kühe auf den Gleisen. Angeblich macht Kuhmilch durch ihren starken Fett-und Cholesterinanteil sogar aggressiv. War der Zweite Weltkrieg in Wirklichkeit eine Folge der Milchwirtschaft? Im Dritten Reich wurde der Milchkonsum gefördert. War der Euter die Quelle des nazistischen Machtwahns?
    Viele Veganer trauen sich indessen, auch öffentlich zu fragen: Wie konnte es überhaupt zur Milchwirtschaft kommen? Was hat der erste Mensch, der jemals eine Kuh gemolken hat, da unten vermutet? Kann es sein, dass das angeblich so gesunde Nahrungsmittel Milch aus einer perversen Neigung heraus entdeckt wurde? Sicher! Wie sonst?
    Der Mensch ist ein neugieriges Wesen. Er sieht einen Euter und fragt sich: Was ist das? Er piekt zwei oder drei Mal mit dem Finger in die seltsam freihängende Blase und denkt sich: Vielleicht ist da was drin, aus dem man später einmal Eiskrem machen könnte oder Tiramisu.
    Vielleicht hat aber auch irgendjemand einfach aus Langeweile an den Zitzen gezogen. Man darf nicht vergessen: Die Leute hatten damals viel weniger Möglichkeiten bei der Freizeitgestaltung. Also begannen die Menschen, den Tieren Drüsensekrete zu stehlen. Es gab ja sonst nicht viel zu tun, selbst samstags abends.
    Wahrscheinlich war noch nicht einmal der Geschlechtsverkehr erfunden. Die Menschen pflanzten sich durch Zellteilung fort, und die einzige Freude, die sie sich in ihrem tristen Alltag gönnten, war die Ausrottung der Nachbarsippe oder das immer am Wochenende stattfindende Handabhacken für Diebe. So vermute ich jedenfalls. Humanistisches Gedankengut war damals noch nicht allzu sehr verbreitet.
    Unsere romantische Vorstellung vom edlen Wilden, der im Einklang mit der Natur lebte, erscheint mir da ein wenig naiv. Es mag sein, dass aufgrund der immensen Menschenmassen, die heute auf unserer Erde existieren, Gewaltakte in absoluten Zahlen häufiger sind als früher. Außerdem gab es in der Urzeit keine U-Bahn, in der man sich als Opfer zum Prügeln darbieten konnte. Die Gefahrfür den Einzelnen aber, Opfer einer Bluttat zu werden, war noch nie so gering wie heute. Bei Naturvölkern wird bis heute gern getötet, hingerichtet oder geopfert, in unserer Gesellschaft dagegen ist das Verbrennen von Familienmitgliedern zur Gnädigstimmung der Allmächtigen nahezu ausgestorben, selbst in den alpinen Gebieten.
    In der Regel wird darauf verzichtet, anderen die Fresse zu polieren, selbst wenn sie kleiner sind und dumm gucken. Selbst in Neukölln wird einem oft nur ins Gesicht gespuckt. Das ist natürlich auch das Ergebnis der grassierenden Faulheit. Man will nicht immer nur Opfer machen, man will auch mal ausspannen. Selbst leidenschaftliche Gewalttäter geraten irgendwann in eine demotivierende Routine. Sogar Fußballderbys gehen heute vielfach ohne größere Massaker zu Ende, weil den Hooligans der Antrieb fehlt. Burnout ist die große Krankheit unserer Zeit, wahrscheinlich kommt das alles von der Milch.
     
    10 28
Wäre es nicht wunderbar, wenn alles Übel dieser Welt nur eine einzige Ursache hätte? Laktose? Geld? Oder Wasseradern unterm Bett? Oh ja! Das