Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)
Jahre einen Tag. Wir denken uns die Welt, widdewiddewie sie uns gefällt. Wir können einen ganzen Tag nur mit Gedanken füllen, die warme Mahlzeit, die eigentlich in die Mitte des Tages gehört, in die Nacht verlegen und dann zurückfallen in den Morgen oder in den Nachmittag. In Gedanken können wir den Paketbriefträger um 02:00 Uhr morgens kommen lassen. Dann steht er in der Tür und klagt, dass tagsüber kaum jemand zu Hause sei. Nachts aber, gegen 03:00 oder 04:00 Uhr, würde jeder aufmachen, weil er denkt, das muss die Polizei sein, die die Nachricht vom Tod eines Angehörigen überbringt. Dann sind siefroh, wenn es doch nur der Paketdienst ist, stimmen mit ein in die Klage über unmenschliche Arbeitszeiten und geben Trinkgeld. Natürlich sei die Kundschaft teilweise auch erbost über die Störung, aber es überwiegen die Vorteile. Im Grunde sei doch jeder froh, nicht wegen einer Paketabholung zur Postfiliale zu müssen, wo immer dann, wenn man vor der Tür steht, Betriebsversammlung ist, weil die unmenschlichen Arbeitszeiten von 10:00 bis 12:00 Uhr und dann wieder von 15:00 bis 16:00 Uhr dringend verkürzt gehören. Viele Arbeiten sind überhaupt erst dann menschlich, wenn sie gar nicht mehr verrichtet werden müssen, vor allem bei der Post. Und ob ich meine Pakete in Zukunft nicht beim Absender abholen könnte …
Ich bejahe. Selbstverständlich. Ich bin immer aufseiten der arbeitenden Bevölkerung! Wir könnten doch ein Bier trinken gehen zusammen. Oder zwei. Oder drei. Und noch eins! Bis wir die Uhrzeit nicht mehr lesen können. Dann ist es vielleicht 03:09 Uhr, aber wir glauben fest, dass es erst morgens kurz nach fünf ist. Weil es in Neuseeland 13:25 Uhr ist. Das liegt am Monsun. Die Erde dreht sich unter den Passatwinden weg und verdreht so die Zeiger, zumindest in der westlichen Hemisphäre, der Osten dreht sich ja bekanntlich andersherum. Da geht die Sonne im Süden auf. Oder unten.
Die Gedanken sind frei. Auch wenn sie mit Bier aufgefüllt werden. Flop. Das satte Geräusch des entfernten Kronkorkens füllt die Küche.
16 00
Padumm, padumm. Langsam verdichtet sich der Tag. Im Strom der Protonenund Neutronen, der Bosonen, Barionen, Leptonen und Quarks, erweisen sich Gedanken als Wechselwirkung der Elementarteilchen. Sie lassen entstehen, was wir als Welt wahrnehmen. Die Erdkruste, darauf ein Haus; die Tür geht auf, der Paketbriefträger nagelt gemeinsam mit dem Kfz-Mechaniker und seiner Cousine die in Strapsen tanzende Hausfrau. So geht es zu da draußen, zumindest im Film, in der Kunst also, so wie sie sich Regisseur Johnny van Hinten und seine Hauptdarsteller Steel Hammer und Randy Cherry vorstellen.
Nach beendeter Begattung bekennt der Päckchenbringer, gelogen zu haben. Er sei eigentlich der Klempner. Um seine Verfehlung zu büßen, montiert er auf eigene Kosten Wasserspartasten. Er scheint ein guter Mann zu sein, aber in Wirklichkeit will er die Kanalisation der Stadt sabotieren. Die Szene wird vom Porno zum Thriller. Überall in den Kanälen bilden sich schlammige Pfropfen, hinter denen sich übel riechende Abwässer stauen. Irgendwann wird der Druck zu hoch, das angestaute Brackwasser, ein Meer aus Säure und Exkrementen, bricht aus den höhen gelegenen Stadtteilen Richtung Wilmersdorf und Charlottenburg. Ein Tsunami aus Verdautem. Der Berliner Bürgermeister würde jetzt gerne helfen, muss aber leider zu einer Geburtstagsfeier. Die Stadt versinkt. Schade eigentlich. Aber zu viel Aufregung ist schlecht für das Herz. Ein Mann mit Dampframme beginnt zu arbeiten. Auf die Frage, was er da tue, antwortet er: „Ich verdichte! Ich verdichte!“ Padumm, padumm, padumm …
Die neueste Erkenntnis der Wissenschaft sei, dass die Welt im Inneren aus Scheiße bestehe und außen aus dem, was die Berliner Kanalisation nach oben rausgibt. Damitman auf der Erdkruste fahren kann, müsse erst ein solider Untergrund geschaffen werden, meint der Verdichter. Wichtig sei, dass alles immer dichter gemacht werde. Immer dichter. Immer dichter. Bis Protonen und Elektronen verschmelzen. Kernfusion. Erst die Verdichtung gebe dem Asphalt ein solides Fundament. Und im Leben braucht alles ein Fundament. Selbst der Suff im Übrigen. Flop. Ein Bier. Sind noch Frikadellen da?
12 00
High noon. Die perfekte Mitte des Tages. Zwölf Mal macht es „padumm“, dann bricht unser Verdichter zusammen, nicht ohne vorher ausgerufen zu haben: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ Von dort ist es nicht weit zu König
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