Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman
Mutter war ein Waisenkind, das Clarisse bei sich aufgenommen hatte und das es ihr übel gedankt hat.«
»Eure Clarisse, Madame Else«, sagte Ellwin mit bebender Stimme, »ist eine Frau, die kleine Kinder foltert und dabei lächelt. Ich frage mich, was ein Waisenkind bei ihr für ein Leben hatte. Vielleicht hat sie damals ganz einfach das falsche Kind gefoltert!«
Else erwiderte nichts darauf.
»Wir sollten gehen«, drängte Churro. »Gleich ist es stockdunkel. Können wir ihr trauen?« Alle blickten auf Lulu. Die schaute Else lange an.
»Ja«, sagte sie schließlich. Else atmete auf.
»Hast du Clarisse aus dem Loch gezogen?«, fragte Wanda noch.
Else schüttelte den Kopf. »Sie lebte in der Hütte, als ich kam. Ich glaube, ein paar Vagabunden, die damals hier hausten, haben sie herausgeholt. Aber ich habe Clarisse nie gefragt, was danach aus ihnen geworden ist.«
Sie packten zusammen, als Ellwins Blick auf das goldene Buch fiel. »Wir können es nicht hier herumliegen lassen«, sagte er. »Was sollen wir damit machen?«
»Das!«, schrie Damiano und versetzte dem Buch einen gewaltigen Fußtritt, das über den Felsboden der Höhle schlitterte und in das Loch fiel. Erst nach einigen Augenblicken hörten sie den Aufschlag.
»Das war unüberlegt«, tadelte Ellwin. »Es ist schon mal aus einem Grab aufgetaucht. Es könnte ihm wieder gelingen!«
»Unsinn!«, nahm Churro seinen Sohn in Schutz. »Du hast selbst gehört, wie tief dieser Abgrund ist. Außerdem können wir ja der Hexenpolizei verraten, wo es liegt. Und jetzt machen wir bitte, dass wir hier wegkommen!«
Corina flatterte zu ihren Krähenkumpanen in die Turmruine. Lulu winkte ihr nach, am Morgen würden sie sich wiedersehen. Wenn alles gut ging. Wenn sie es schafften, heil in den Palast zu kommen und die Hexenpolizei zu rufen.
Bloß nicht dran denken, immer schön einen Schritt nach dem anderen.
Clarisse bekam sicherheitshalber noch einmal eine Dosis Lösungsmittel verpasst, dann lud Ellwin sie sich über die Schulter. Churro und Damiano nahmen die Alte zwischen sich, um sie zu stützen und über schwere Wegstrecken hinwegzuheben, Rafaela trug Bumbum und Lulu den erschöpften Ralf. Er weigerte sich, auch nur noch einen Schritt zu tun, vertrat den Standpunkt, er habe für einen Tag genug geleistet, und das stimmte ja auch. Else musste den Falken übernehmen, Wanda lief vorneweg und leuchtete ihnen mit Churros Feuerzeug. Es war eine seltsame Kolonne, die sich den Hügel hinunterbewegte und den Weg zu Ellwins Haus einschlug. Gut, dass es dunkel war, bei Tag hätte sie einiges Aufsehen erregt.
Als sie das Haus endlich erreichten, war Lulu ungeheuer dankbar, Ellwin sagen zu hören, dass sie alle ein wenig rasten und sich erfrischen sollten, bevor sie zum nächsten Abenteuer aufbrächen. Else stimmte ihm zu. Je später sie in den Palast eindringen würden, umso geringer wäre die Gefahr, erwischt zu werden.
Sie säuberten sich und machten sich ein wenig zurecht, bevor sie sich zum Essen setzten. Schließlich würden sie bald einen Königspalast betreten, wenn auch auf unübliche Weise, durch einen Geheimgang, den Else ihnen zeigen wollte. Die fuhr in ihrer Beichte fort. Jetzt, da sie einmal angefangen hatte, war sie nicht mehr zu bremsen.
Sie erzählte, wie Clarisse sie gezwungen hatte, sie draußen beim Rosenhaus mit Speisen zu versorgen und ihr alles über das Leben im Palast zu berichten. Sobald Else zum ersten Mal den Namen Graviata erwähnte, hatte Clarisse gewusst, um wen es sich bei dieser berühmten Hexe handelte, und in ihrem Kopf hatte der Plan zur Rache langsam Formen angenommen. Zuerst hatte sie die vage Vorstellung gehabt, den Körper der Königin zu stehlen, aber das hätte wohl selbst ihre Fähigkeiten überfordert.
Dann hörte sie von der geplanten Hochzeit und wandte ihre Aufmerksamkeit Anassia Bolin zu. Sie war ein viel leichteres Opfer, geradezu ideal für ihre Pläne. Clarisse wollte ins Zentrum der Macht, sie wollte sich an Graviata rächen und sie wollte einen neuen Körper. Sie brauchte einen. Ihr eigener war durch den Fluch und den neunundneunzig Jahre langen Todesschlaf so alt geworden, wie er tatsächlich war. Keine ihrer Hexenkünste konnte daran etwas ändern. Als Anassia Bolin war sie jung, schön, unverdächtig und fast grenzenlos mächtig. Und in Else hatte sie eine willfährige Helferin.
Die Köchin erzählte, wie sie sich später auf Clarisses Befehl hin um die Stelle in Graviatas Haushalt bewarb und sie auch bekam. Der
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